Geschäftsbericht 2019

Deutschland

Die deutsche Wirtschaft wuchs 2019 das zehnte Jahr in Folge, auch wenn sich die konjunkturelle Dynamik deutlich verlangsamte. Der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) lag mit 0,6% über dem Vorjahr, dürfte allerdings im europäischen Vergleich nur noch von Italien unterboten werden (Durchschnitt Euro-Raum: 1,2%). Dies ist auch der weiterhin hohen Exportorientierung Deutschlands geschuldet, bei der die schwache Weltkonjunktur spürbar durchschlägt. Dabei war die deutsche Konjunktur weiterhin zweigeteilt: auf der einen Seite ein robuster privater Konsum, höhere Staatsausgaben und eine lebhafte Bautätigkeit, auf der anderen Seite nur schwach wachsende Ausfuhren und eine sehr geringe Dynamik bei den Unternehmensinvestitionen.

Die Unsicherheit über die Handelskonflikte und den Brexit, aber auch der Konjunkturzyklus der globalen Wirtschaft drückten die Auslandsnachfrage und damit die deutsche Industrie in eine milde Rezession. Vor allem Schlüsselbranchen wie der Auto- und Maschinenbau sowie die Elektro- und Chemieindustrie bekamen dies zu spüren, sodass auch die Unternehmensinvestitionen zurückgefahren wurden. Der Außenhandel fiel daher 2019 als Wachstumstreiber aus und die Importe legten mit voraussichtlich 2,4% stärker zu als die Exporte mit voraussichtlich 1,3%.

Allerdings gibt es Stabilisierungstendenzen bei den Auftragseingängen und der Ifo-Geschäftsklimaindex hat sich zum Jahresende wieder leicht aufgehellt. Die Industriekonjunktur dürfte daher in den kommenden Monaten wieder etwas anziehen. Das Baugewerbe befindet sich, auch dank der sehr günstigen Finanzierungsbedingungen, weiterhin in einer Hochkonjunktur. In den konsumnahen Dienstleistungsbereichen wird immer noch mehr Beschäftigung aufgebaut, als in der Industrie wegfällt.

Das kommt auch dem Arbeitsmarkt zugute: Die von der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichte Arbeitslosenquote von 5,0% für 2019 liegt trotz schwacher Konjunktur um 0,2 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert. Nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) dürfte die Arbeitslosenquote auch 2020 und 2021 bei 4,9% verharren. Insgesamt verlangsamt sich jedoch der Beschäftigungsaufbau und die Beschäftigungsrisiken haben sich verstärkt, auch weil gestiegene Lohnkosten die Anreize für Neueinstellungen senken.

Als weitere Stütze der Konjunktur erwiesen sich 2019 einmal mehr die Verbraucher: Angesichts des hohen Beschäftigungsstands und der merklichen Erhöhung des verfügbaren Einkommens legten die privaten Konsumausgaben mit 1,6% spürbar stärker zu als in den beiden Vorjahren. Für 2020 und 2021 rechnet das IfW mit ähnlich hohen Wachstumsraten. Auch die Konsumausgaben des Staats, zu denen unter anderem soziale Sachleistungen und Gehälter der Mitarbeiter zählen, stiegen den Angaben zufolge an. Die Inflationsrate auf Basis der Verbraucherpreise fiel im Jahresdurchschnitt 2019 mit einer Erhöhung von 1,4% moderat aus. Wesentliche Treiber waren dabei Kosten für Energie und Nahrungsmittel. Das IfW rechnet für den Prognosezeitraum angesichts der geringen Auslastung der Produktionskapazitäten nicht mit einer Beschleunigung der Preisentwicklung und geht daher für 2020 von einer Inflationsrate von 1,5% bzw. 1,6% im Jahr 2021 aus.

Vor diesem Hintergrund geht die Bundesregierung ebenso wie das IfW für 2020 von einem BIP-Wachstum von 1,1% aus, wovon ein Teil der erhöhten Anzahl an Arbeitstagen geschuldet ist (0,4 Prozentpunkte). Zu dieser allmählichen Erholung trägt auch die Finanzpolitik bei. Sie schiebt die Konjunktur über Entlastungen bei Steuern und Sozialbeiträgen, Ausweitungen staatlicher Transfers und vermehrten öffentlichen Konsum- und Investitionsausgaben an. Für 2021 geht die Bundesregierung von einem BIP-Wachstum von 1,3% (IfW: 1,5%) aus.

Die weltwirtschaftlichen Konflikte bleiben weiter präsent. Das Handelsabkommen mit Großbritannien muss erst noch ratifiziert werden und auch nach dem 31. Januar 2020 ist die Gefahr eines ungeregelten Brexit noch nicht gebannt. Im Handelsstreit zwischen den USA und China wurde immerhin eine Teileinigung erreicht; die Maßnahmen sind aber noch nicht vollständig rückabgewickelt. Geopolitische Risiken zeigen sich erneut im Iran, Irak und in Libyen. Die deutsche Wirtschaft steht vor weiteren Herausforderungen: Die Autoindustrie hat mit Absatzproblemen zu kämpfen, ein Strukturwandel scheint unausweichlich, und in der Politik wird intensiver über Investitionen in die Zukunft und die Schuldenpolitik diskutiert.

Eine Trendwende am Wohnungsmarkt ist nach Ansicht der Experten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) nicht zu sehen. Wesentliche Treiber wie der Zuzug in die Ballungszentren, günstige Finanzierung und zu geringe Fertigstellungszahlen gelten weiter und werden von einer teilweise restriktiven Wohnungspolitik begleitet. Nach Jahren hoher Preissteigerungen in den Großstädten könnte sich aber die Dynamik stärker in deren Umland verlagern. Wie Destatis zuletzt berichtete, hat die wachsende Bevölkerung vor allem in den Großstädten in den vergangenen Jahren den Druck auf den Wohnungsmarkt erhöht. 2018 lebten in Deutschland 2,5 Millionen Menschen mehr als noch 2012 und die Bevölkerungszahl ist voraussichtlich auch 2019 weiter gestiegen. Die Großstädte wuchsen dabei durch den Zuzug vor allem junger Menschen überproportional.

Der Zuzug ist aber nicht ungebrochen: Laut dem Forschungs- und Beratungsinstitut empirica sinkt die Zuwanderung in die sogenannten Schwarmstädte. Zuzugswillige weichen in nahe gelegene, aber weniger attraktive und daher preiswertere Städte bzw. in das Umland aus. Neben dem demografischen Trend der Zuwanderung in die Städte profitierte die Nachfrage nach Wohnungen laut Experten der EBZ Business School in den vergangenen Jahren auch von der günstigen Einkommensentwicklung.

Der Wohnungsmangel droht derweil laut GdW zu einer Dauersituation zu werden. Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen dürfte laut DB Research im Jahr 2019 und auch in den Folgejahren unter oder nahe 300.000 liegen und damit deutlich unter der jährlichen Nachfrage. Zwar konnte der Abbau von Leerstandsreserven lange Zeit einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung des Wohnungsmarktes leisten, jedoch sind nach Auskunft von empirica die Reserven in den prosperierenden Schwarmstädten nun erschöpft. Die demografischen Trends führen laut Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln) zu zunehmenden Stadt-Land-Disparitäten. Das heißt, neben der enormen Wohnungsknappheit in den Großstädten existiert in anderen häufig ländlich geprägten Regionen ein Überangebot.

2019 stiegen die Wohnimmobilienpreise insgesamt weiter an, berichtet empirica nach Auswertung ihrer Preisdatenbank. Der empirica Preisindex für Eigentumswohnungen (alle Baujahre) stieg im 4. Quartal 2019 gegenüber dem Vorjahresquartal um 11,0% (Neubau: +7,6%). Die Angebotspreise für Eigentumswohnungen wuchsen erneut stärker als die Mieten. Bundesweit nahmen die Mietpreise laut empirica im Durchschnitt aller Baujahre im 4. Quartal 2019 gegenüber dem Vorjahresquartal um durchschnittlich 3,8% (Neubau: +3,0%) zu. Im Gegensatz dazu beobachteten die Experten von F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH (F+B) im gleichen Zeitraum im Bundesdurchschnitt einen Trend von stagnierenden bis leicht sinkenden Angebotsmieten um -0,3%. Die Bestandsmieten stiegen laut F+B 2019 weiter um 1,4% an. Einig sind sich die Experten von empirica und F+B darin, dass die Mietsteigerungsdynamik in den Top 7-Städten deutlich nachgelassen hat. Der Mietanstieg verlagert sich laut empirica mit der Zuwanderung stärker auf das Umland der Schwarmstädte bzw. nahe gelegene, preiswertere Städte.

Die fundamentale Situation im Immobilienmarkt wird sich nach Ansicht von Deutsche Bank Research im Jahr 2020 kaum verändern. Getragen von robuster Einkommensentwicklung und guter Arbeitsmarktlage besteht weiterhin eine hohe Nachfrage nach Wohnungen. Die Experten erwarten für das Jahr 2020 nur eine etwas geringere Preis- und Mietdynamik. Der Deutsche Mieterbund rechnet für 2020 mit einem Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete im bundesweiten Durchschnitt von 2,5 bis 3%. Da die Nullzinspolitik der EZB vermutlich noch einige Jahre fortgesetzt wird, dürfte der Wohnungsmarkt im Jahr 2020 erneut kreditgetriebene Preisimpulse erfahren, sodass nach Einschätzung von Deutsche Bank Research bei anhaltend hoher Kreditdynamik in den Folgejahren das Risiko einer Blasenbildung wächst. Der empirica-Blasenindex für Deutschland zeigt im 4. Quartal 2019 für 293 von 401 Landkreisen und kreisfreien Städten eine mäßige bis hohe Blasengefahr.

Wie der globale Immobiliendienstleister CBRE berichtet, war das Investoreninteresse an deutschen Wohnimmobilien auch 2019 ungebrochen groß. Das Transaktionsvolumen, bezogen auf Transaktionen ab 50 Wohneinheiten, erreicht mit rund 16,3 Mrd. € fast Rekordniveau. Die Grundstimmung am deutschen Wohnimmobilieninvestmentmarkt ist weiterhin positiv, aber der Mangel an Bestandsportfolios und der rückläufige Neubau werden das Produktangebot hemmen. Für 2020 rechnet CBRE mit einem Transaktionsvolumen oberhalb von 15 Mrd. €.

Die Entwicklung auf den Wohnungsmärkten stellt die Wohnungspolitik vor große Herausforderungen. Seit Januar 2019 gilt das Mietrechtsanpassungsgesetz, das mehr Transparenz bei der Mietpreisbremse sowie die Begrenzung und Vereinfachung der Modernisierungsumlage schaffen soll. Ebenfalls mit dem Ziel einer Dämpfung des Mietanstiegs wurde Ende 2019 vom Bundestag die Ausweitung des Betrachtungszeitraums bei der Erstellung von Mietspiegeln von vier auf sechs Jahre beschlossen. Eine Verschärfung und Verlängerung der Mietpreisbremse bis 2025 wurde vom Bundestag im Februar 2020 beschlossen. Haushalte mit niedrigem Einkommen erhalten dank der Wohngeldreform seit 1. Januar 2020 mehr Wohngeld. Ein Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus trat im Sommer 2019 in Kraft, und Investitionen in die energetische Sanierung selbstgenutzter Wohnimmobilien sollen ab 2020 zeitlich befristet steuerlich gefördert werden. Ende Januar 2020 wurde auch das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin, der sogenannte Mietendeckel, vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen und trat im Februar 2020 in Kraft. Kern des Gesetzes, an dessen Verfassungskonformität Zweifel bestehen, ist die öffentlich-rechtliche Begrenzung der Mieten in Berlin für fünf Jahre. Ein weiteres Gesetzesvorhaben mit Relevanz für die Immobilienbranche ist die beabsichtigte Änderung der Grunderwerbsteuer, mit der Share-Deals unattraktiver gemacht werden sollen.