Schweden
Seit Beginn der Pandemie steht Schweden immer wieder im Fokus, da es im Umgang mit Corona einen Sonderweg beschreitet. Die Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und Grünen folgte den Empfehlungen ihres Chef-Epidemiologen und führte weder einen Lockdown noch eine Maskenpflicht ein. Angesichts steigender Infektions- und hoher Todeszahlen sah sich die Regierung zum Jahresende jedoch zur Kursänderung gezwungen, die mit weiteren Beschränkungen öffentlicher Aktivitäten einhergingen, jedoch nicht einen umfassenden Lockdown beinhalteten. Dadurch verzeichnete Schwedens Wirtschaft im europäischen Vergleich keinen so starken Einbruch im 1. Halbjahr, im 2. Halbjahr dafür auch keinen überdurchschnittlich hohen Aufholeffekt. Nach vorläufigen Berechnungen des schwedischen Statistikamtes (SCB) ist das BIP im Jahr 2020 um 2,8 % zurückgegangen.
Trotz der zweiten Infektionswelle weltweit scheint Schwedens Exportindustrie wieder relativ gut zu laufen. Die Außenhandelsstatistiken zeigen, dass dies vor allem auf die positive Entwicklung der Warenexporte und Exportaufträge mit Beginn des 3. Quartals zurückzuführen ist. Trotz dieser positiven Entwicklung werden die Exporte im Vergleich zum Vorjahr einen Einbruch um voraussichtlich 5,3 % verzeichnen und im Jahr 2021 mit 5,5 % wachsen, was hauptsächlich durch die Ausfuhr von Waren, Maschinen und Kraftfahrzeuge getrieben sein dürfte. Der noch im Frühjahr befürchtete Investitionseinbruch im zweistelligen Prozentbereich fällt mit 1,5 % für 2020 milde aus, was den öffentlichen Investitionen mit einem Wachstum von 4,1 % zu verdanken ist, während die Unternehmensinvestitionen mit 4,3 % einbrachen. Sowohl die Nachricht des Impfstarts als auch die expansive Fiskalpolitik und die niedrigen Zinsen werden die Investitionen 2021 um voraussichtlich 3,0 % wachsen lassen. Dabei dürfte auch dann ein Großteil des Investitionswachstums durch einen erheblichen Anstieg der Ausgaben des Staatssektors für Infrastruktur und militärische Ausrüstung getrieben sein. Die Unternehmensinvestitionen werden mit Aufhebung der pandemiebedingten Restriktionen wieder spürbarer ansteigen.
Trotz erhöhter Kosten durch die Corona-Pandemie und erheblicher Finanzspritzen der schwedischen Regierung hat die Pandemie den Konsum der Kommunen gebremst, der mit einer geringfügigen Zunahme von voraussichtlich 0,1 % für 2020 nahezu gleich blieb. Für 2021 rechnet das Nationale Institut für Wirtschaftsforschung (NIWF) mit einem Anstieg von 3,1 % der staatlichen Konsumausgaben. Trotz der weniger starken Beschränkungen in Schweden sind auch hier im Zuge der Pandemie insbesondere die kontaktnahen Dienstleistungen stark eingebrochen, während die privaten Ausgaben für Waren und Wohnen stabil bis steigend waren. Der Privatkonsum dürfte insgesamt um 5,1 % im Jahr 2020 sinken. 2021 soll mit einer Zunahme von 3,1 % eine deutliche Erholung der Haushaltsausgaben einsetzen. Diese wird jedoch nicht reichen, um die pandemiebedingten Verluste wettzumachen. Das Vorkrisenniveau dürfe erst im Laufe des Jahres 2022 erreicht werden. Insgesamt gehen die Prognosen für 2021 von einem BIP-Wachstum von 3,2 % aus.
Schwedens Arbeitsmarkt wurde durch die Pandemie schwer belastet. Ende November 2020 waren laut der staatlichen Arbeitsagentur über 680.000 Personen auf Jobsuche, rund 40 % davon haben ihren Arbeitsplatz in den letzten sechs Monaten verloren. Das NIWF rechnet mit einer Arbeitslosenquote von 8,5 % für 2020. Die Prognosen gehen von einer weiteren Steigerung im Jahr 2021 aus, auch wenn diese durch die fortbestehende Möglichkeit der Kurzarbeit im Rahmen staatlicher Unterstützung abgemildert wird. Der Rückgang auf das Vorkrisenniveau könnte bis Mitte des Jahrzehnts dauern. Die CPIF-Inflation – der Anstieg des Verbraucherpreisindexes mit einem festen Zinssatz – lag im Jahr 2020 bei 0,5 %, die durch sinkende Energiepreise und einen geringen Anstieg der Preise für Dienstleistungen zurückgehalten wurde. Die vorgezogenen Lohnabschlüsse implizieren einen größeren Anstieg der Produktionskosten für die Unternehmen im Jahr 2021, was die Preise, insbesondere für Dienstleistungen, erhöht. Erhebliche Erhöhungen der Wasser- und Abwassergebühren in vielen Gemeinden sowie höhere Grundsteuern dürften ebenfalls zu einer höheren Inflation von voraussichtlich 1,1 % im Jahr 2021 beitragen.
Die schwedische Notenbank weitete ihre Anleihekäufe inmitten der zweiten Infektionswelle deutlich aus. Indem das Wertpapier-Kaufprogramm aufgestockt und verlängert wurde, machte die Riksbank deutlich, dass eine umfassende geldpolitische Unterstützung so lange wie nötig verfügbar sein wird. Die Leitzinsen beließen die Währungshüter dagegen erwartungsgemäß bei 0,0 %.
Auch für Schweden gelten die bereits für Deutschland genannten Risiken und Unsicherheiten, denen die Prognosen unterliegen. Darüber hinaus bleibt auch abzuwarten, wie die schwedische Regierung weiterhin mit der Coronakrise umgeht. Trotz aller Unvorsehbarkeiten besteht Hoffnung auf eine bessere schwedische Konjunktur im zweiten Halbjahr 2021, vor allem bei hoher Impfquote. Schwedens Wirtschaftspolitik stand 2020 im Zeichen von aktiver Nachfragepolitik – allerdings bei weitem nicht so aktiv wie in Deutschland. Daher hat sich die öffentliche Verschuldung in Schweden nicht sonderlich erhöht. Sie liegt im Vergleich zu den meisten anderen EU-Ländern mit ca. 40 % des BIP noch immer auf einem niedrigen Niveau. Das ergibt nach wie vor einen beachtlichen finanzpolitischen Spielraum.
Der Wohnungsmarkt Schwedens zeigt sich während der Corona-Krise robust. Mietwohnungen sind nach Einschätzung der Experten des Immobilienberatungsunternehmens Svefa eines der Immobilenmarktsegmente, das die Corona-Krise besser bewältigt. Laut Boverket, dem schwedischen Amt für Wohnungswesen, Bauwesen und Raumordnung, besteht bei schwedischen und internationalen Investoren ein großes und wachsendes Interesse am Segment. Nicht zuletzt in Zeiten der Unsicherheit sind Immobilienvermögen mit geringem Leerstandsrisiko und stabilen Cashflows gefragt.
Laut dem schwedischen Verband der kommunalen Wohnungsunternehmen Sveriges Allmännytta ist der Wohnungsmarkt Schwedens spürbar angespannt. Die Bevölkerung ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen und wird nach Schätzungen des statistischen Amts Schwedens von 2019 bis 2030 um 767.000 auf mehr als 11 Mio. Einwohner steigen. Das Bevölkerungswachstum 2020 fiel aber voraussichtlich gedämpfter als im Vorjahr aus. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und teils geschlossener Grenzen lag laut Boverket die Nettozuwanderung geringer als im Vorjahr. Das Neubaugeschehen blieb derweil hinter dem Bevölkerungszuwachs der letzten Jahre zurück. In weiten Teilen des Landes und insbesondere in den Metropolregionen herrscht Wohnungsmangel. Die Zahl der Gemeinden mit einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt nimmt zwar zu, dennoch meldeten 2020 laut der Wohnungsmarktumfrage von Boverket 212 der 290 Gemeinden Mangel an Wohnraum. Die Regionen Stockholm, Göteborg und Malmö machen etwa 76 % des Gesamtdefizits aus. Es fehlt vor allem an Mietwohnungen. Der Wohnungsbau wird aber in vielen Gemeinden durch hohe Baukosten gebremst. Zudem begrenzen strenge Kreditvergabebedingungen bzw. Schwierigkeiten für Privatpersonen, Kredite zu erhalten, den Neubau.
Nach Angaben des Statistischen Amts Schwedens stiegen die Mieten 2020 wie schon im Vorjahr im Durchschnitt um 1,9 %. Die Mieten dürften auch weiterhin steigen. Darauf deuten die ersten durch „Hem & Hyra“, der Mitgliederzeitung des schwedischen Mieterverbands („Hyresgästföreningen“), veröffentlichten Ergebnisse aus den Mietverhandlungen für das Jahr 2021 hin. Wichtige Trends wie die fortschreitende Urbanisierung, schrumpfende Haushaltsgrößen und ein starker Anstieg der Preise für Eigentumswohnungen und Häuser treiben laut Savills die Nachfrage nach Mietwohnungen an. Dieser Trend könnte sich in Zeiten der Unsicherheit weiter verstärken.
Auch der Markt für Wohneigentum wurde von der Coronavirus-Pandemie nicht wesentlich beeinträchtigt. Dort hatten sich vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie die Immobilienpreise, nach deren Rückgang Ende 2017, wieder erholt, berichtet Boverket. Zu Jahresbegin 2020 setzte sich der Aufschwung zunächst fort. Gemessen am Valueguards HOX-Preisindex für die Preisentwicklung typischer Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser gingen dann im April, dem Monat, der bis dahin am stärksten von der Corona-Situation betroffen war, die Wohneigentumspreise zunächst spürbar zurück, stiegen aber im Mai wieder merklich an und legten im weiteren Jahresverlauf weiter zu. Der HOX-Preisindex lag schließlich im Dezember 2020 11,5 % höher als 12 Monate zuvor. Die Experten von SEB erwarten sowohl für 2021 als auch für 2022 Preiserhöhungen von bis zu 5 %, was auch zu einem Aufschwung des Wohnungsbaus beitragen dürfte. Die Experten des Boverket gehen davon aus, dass der Wohnungsmarkt auch die aktuelle Welle weitreichender Shutdowns überstehen wird. Es bestehen jedoch Unsicherheiten darüber, wie stark die Nachfrage, bei einer möglicherweise länger als noch im Frühjahr anhaltenden Verlangsamung der Volkswirtschaft, aufrechterhalten werden kann.
Die starke Nachfrage nach Wohnraum hat laut SEB während der Corona-Krise zur Widerstandsfähigkeit des Baugewerbes beigetragen. So hat die Wohnungsbautätigkeit im Jahr 2020 die ursprünglichen Erwartungen übertroffen. Laut der aktuellen Schätzung von Boverket wurde 2020 mit dem Bau von rund 54.000 Wohnungen begonnen (2019: 51.600, inkl. Zugänge durch Umbauten), im Jahr 2021 werden es voraussichtlich 52.500 Wohnungen sein. Damit bliebe die Bautätigkeit dennoch hinter dem Bedarf zurück. Laut Schätzung von Boverket müssen in den Jahren 2020 bis 2029 jährlich zwischen 59.000 und 66.000 Wohnungen neu gebaut werden, um dem erwarteten Bevölkerungswachstum gerecht zu werden und das aufgestaute Wohnungsdefizit abzubauen.
Am schwedischen Transaktionsmarkt wurden laut Savills im Jahr 2020 Immobilien im Wert von 209 Mrd. SEK gehandelt, nur 12 Mrd. SEK weniger als im Rekordjahr 2019 aber 16 % höher als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Mit einem Umsatzvolumen von fast 61 Mrd. SEK bildeten Wohnimmobilien das größte Segment. Dies entspricht einer Steigerung von 10 Mrd. SEK gegenüber dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Aus historischer Sicht neigen Investoren laut Savills dazu, in unsicheren Zeiten defensive Optionen zu suchen. Die stabilen Cashflows und das sehr geringe Leerstandsrisiko im Mehrfamilienhaussektor bieten eine attraktive risikoadjustierte Rendite für Investoren. Infolgedessen wird der Mehrfamilienhaussektor im aktuellen Umfeld höchstwahrscheinlich eine starke Performance als Anlagealternative aufweisen.