Brief des Vorstands
Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, sehr geehrte Damen und Herren,
auf den ersten Blick kann man einer Krise wenig Gutes abgewinnen. Erst recht nicht, wenn sie unseren Alltag so tiefgreifend beeinflusst wie zurzeit die Corona-Pandemie. Bei näherer Betrachtung hat jede Krise jedoch auch etwas Konstruktives. Sie ermöglicht uns einen Perspektivwechsel, und sie lenkt unsere Aufmerksamkeit auf das Wesentliche. So haben sich Forscher weltweit darauf fokussiert, in kürzester Zeit einen Impfstoff zu entwickeln. Wir sehen den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und die Hilfsbereitschaft unter Nachbarn.
Wir brauchen diesen Fokus auf das Wesentliche. Zuversicht. Gegenseitiges Vertrauen. In Politik und Wirtschaft. Im privaten und beruflichen Miteinander.
Vor acht Jahren habe ich bei Vonovia meine Aufgaben übernommen. Seitdem begleitet mich jeden Tag die Aufgabe, unserer unternehmerischen Verantwortung gerecht zu werden; die Interessen von Mieterinnen und Mietern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der Gesellschaft und die angemessene Erfolgsbeteiligung der Aktionärinnen und Aktionäre auszubalancieren.
Wer wirtschaftlich stabil aufgestellt und im Gleichgewicht ist, kann sich um seine gesellschaftlichen Aufgaben kümmern. Er kann an den Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit mitarbeiten. Das haben wir auch in 2020 wieder getan.
Wir haben unseren Mieterinnen und Mietern gezeigt, dass wir für sie da sind. In den Lockdown-Phasen haben wir unsere Kommunikation nochmals intensiviert. Wir versichern weiterhin, dass niemand aufgrund der Pandemie fürchten muss, seine Wohnung zu verlieren. Über den Verzicht auf Mieterhöhungen, Kündigungsstopp und andere Hilfestellungen haben wir soziale Härten abgefedert. Was auch immer in dieser außergewöhnlichen Zeit die Aufgabe war, wir konnten meistens eine Lösung finden.
Mit Hilfe unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie haben mit besonderem Einsatz den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten. Vor Ort mit entsprechendem Schutz. Von zu Hause digital. Alle unter erhöhter Belastung. Gemeinsam haben wir zeigen können, was mit Zusammenarbeit möglich ist. Und wir haben erlebt, wie das Vertrauen wächst: Die Wege sind direkter. Und die Selbständigkeit in der Aufgabenerfüllung hat sich erhöht. Diese neue Verantwortlichkeit wird bleiben.
Was mich besonders freut, ist, dass unser Kundenzufriedenheitsindex CSI (Customer Satisfaction Index) im Jahresdurchschnitt trotz der Krise deutlich um mehr als acht Prozent gestiegen ist. Dies zeigt, dass die Mieterinnen und Mieter unser Engagement positiv sehen.
Unsere Strategie ist seit unserem Börsengang 2013 erfolgreich. Im Geschäftsjahr 2020 haben wir herausgearbeitet, was wir seit Jahren für mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz tun. Zudem haben wir Stakeholderinnen und Stakeholder wie Mieterverbände, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Politikerinnen und Politiker befragt, welche Anforderungen sie an uns in Bezug auf Klimaschutz, bezahlbares Wohnen und den demografischen Wandel stellen.
Als Ergebnis unserer Analyse haben wir unser Steuerungssystem neu aufgesetzt: An den neuen Nachhaltigkeits-Performance-Index SPI sind konkrete Ziele gekoppelt, die unsere Leistungen jedes Jahr messbar machen. Diese zentrale nichtfinanzielle Kennzahl berücksichtigt Faktoren wie die jährliche CO2-Einsparung im Gebäudebestand, die Energieeffizienz von Neubauten, die Zufriedenheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Diversität und die Fortschritte bei der Barrierefreiheit im Bestand. Auch die Kundenzufriedenheit wird in den SPI einfließen.
In der Kommunikation mit Ihnen, den Aktionärinnen und Aktionären, war uns im vergangenen Jahr die Transparenz besonders wichtig. Wir haben die Kosten des Berliner Mietendeckels frühzeitig errechnet. Und der Corona-Lockdown war nur wenige Tage alt, da bezifferten wir bereits die möglichen Mindereinnahmen. In beiden Fällen werden Ihnen die Informationen bei der angemessenen Einordnung geholfen haben.
Zum Berliner Mietendeckel: Wir sehen, wie die Wohnungsnot eine Gesellschaft herausfordern kann. Im ersten Halbjahr 2021 erwarten wir das Urteil des Verfassungsgerichts, ob der Berliner Mietendeckel mit geltendem Recht vereinbar ist. Unabhängig vom Ausgang: Unsere Aufgaben werden bleiben. Deshalb brauchen wir Konzepte, mit deren Umsetzung wir den Menschen in den Ballungsräumen rasch neue bezahlbare Wohnungen anbieten können.
Unser Unternehmen konzentriert sich auf die Entwicklung solcher Konzepte. Und wir bauen. Im vergangenen Jahr haben wir bundesweit wieder mehr als 1.500 Wohnungen fertiggestellt. Mit einer Durchschnittsmiete von 6,95 € pro m2 steht Vonovia unverändert für bezahlbares Wohnen in Deutschland.
Wir können schneller und mehr bauen. Dazu braucht es aber zügigere Bauplanungs- und Genehmigungsprozesse sowie sinnvolle Änderungen im Bauordnungs- und Bauplanungsrecht. Im Hinblick auf die Geschwindigkeit kann – wie zurzeit in allen Sektoren und Industrien – auch die stärkere Einbindung digitaler Möglichkeiten erheblich helfen.
An den Finanzmärkten hat Nachhaltigkeit eine hohe Priorität. Auch in unserem Handeln hat das Klima einen festen Platz. Wir haben in den vergangenen Jahren jährlich rund 3 % unserer Gebäude energetisch saniert. Das sind ungefähr 10 % unseres jährlichen CO2-Fußabdrucks.
Unsere Fortschritte werden auch von Nachhaltigkeitsratings anerkannt. So stieg Vonovia bei Sustainalytics in das erste Percentil der mehr als 12.000 weltweit bewerteten Unternehmen auf und wurde in den renommierten Dow Jones Sustainability Index Europe aufgenommen.
Wir gehen jetzt den nächsten Schritt: Als erstes Wohnungsunternehmen haben wir im vergangenen Jahr einen klaren Klimapfad festgelegt. Unser Ziel ist, unsere CO2-Emissionen bis 2050 auf nahezu null zu reduzieren und somit als Unternehmen klimaneutral zu werden. Dafür haben wir uns für jedes Jahr verbindliche Zwischenziele gesetzt.
Das ist ein anspruchsvolles Vorhaben, für das allein die Modernisierung von Gebäudehüllen und der Einkauf von regenerativen Energien nicht ausreichen. Deshalb arbeiten wir gemeinsam mit renommierten Instituten an neuen sektorenübergreifenden Energielösungen, die sich auf Quartiersebene umsetzen lassen.
Operativ und wirtschaftlich haben wir 2020 an die positive Entwicklung der Vorjahre angeknüpft.
Wir haben unsere Geschäftsprozesse – auch mit Hilfe der Digitalisierung – erneut verbessert und unser Value-add-Angebot ausgebaut. Die Integration des schwedischen Portfolios von Hembla ist erfolgt. Wir erwarben in Deutschland kleine Bestände und beteiligten uns erstmals auch in den Niederlanden an einem Portfolio. Mit dem Erwerb von Bien-Ries stärkten wir zudem unser Developmentgeschäft im Rhein-Main-Gebiet.
Aufgrund der erfolgreichen Geschäftsentwicklung konnten wir unsere Prognosewerte einhalten und zum Teil übererfüllen. Die wesentlichen Wachstumsfaktoren waren unsere Akquisitionen und organisches Wachstum insbesondere durch Neubau und Modernisierung.
Für die Abbildung unseres Erfolgs haben wir im vergangenen Jahr unsere Berichtskennzahlen überarbeitet. Damit berichten wir transparenter und steuern unser Unternehmen ganzheitlicher.
Neu ist: In diesem Jahresabschluss stellen wir die Gesamtumsätze unserer vier Segmente, die Segmenterlöse Total, dar. Der Wert entspricht im Wesentlichen dem Gesamtumsatz des Konzerns. Er stieg gegenüber dem Vorjahr um 6,3 % auf 4,4 Mrd. €. Das Adjusted EBITDA Total stieg um 8,5 % auf 1,9 Mrd. €. Unser operatives Ergebnis, der Group FFO, verbesserte sich um 10,6 % auf rund 1,35 Mrd. €. Pro Aktie stieg er um 6,0 % auf 2,38 €. Der Leerstand sank vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie noch einmal um 0,2 Prozentpunkte auf sehr niedrige 2,4 %.
Bei der Ermittlung der Vermögenswerte folgen wir den neuen Best-Practice-Empfehlungen der European Public Real Estate Association (EPRA). Neu erheben wir deshalb den EPRA Net Tangible Assets (EPRA NTA) für den Nettovermögenswert unseres Immobilienportfolios. Er wird den Adjusted Net Asset Value (Adjusted NAV) ablösen. Der neue Wert konzentriert sich auf die Ermittlung der materiellen Vermögenswerte und liefert damit für Sie als Aktionärinnen und Aktionäre eine noch höhere Aussagekraft über den Wert des langfristig von uns gehaltenen Immobilienportfolios. Der EPRA NTA pro Aktie, mit dem wir insbesondere die Wertentwicklung unserer Immobilien messen, kletterte um 14,3 % auf 62,71 €. Im selben Zeitraum stieg der Adjusted NAV pro Aktie um 14,4 % auf 59,47 €. Zusätzlich berichten wir den Net Reinstatement Value (NRV), der mit 77,18 € pro Aktie den Vermögenswert repräsentiert, der erforderlich wäre, um das Unternehmen neu aufzubauen. Dieser Wert ist höher als der Adjusted NAV und der EPRA NTA, da er neben dem Immobilienportfolio auch die Aktivitäten im Bereich Value-add und Development berücksichtigt.
Der Verkehrswert des Portfolios erhöhte sich im Berichtszeitraum auf 58,9 Mrd. €. Darin enthalten ist der Anstieg aus der Bewertung der Immobilien von rund 4,9 Mrd. €, insbesondere durch Investitionen in Modernisierung und Neubau sowie die gestiegene Nachfrage nach Immobilien in den großen Städten.
Auf der Finanzierungsseite konnten wir im vergangenen Jahr am Anleihemarkt Kapital in Höhe von insgesamt 2,7 Mrd. € aufnehmen. Alle Emissionen waren mehrfach überzeichnet. Wir haben nachweislich selbst in schwierigen Zeiten einen exzellenten Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten. Dies spiegeln auch unsere stabilen Ratings wider. Ein Novum ist unsere erste voll digitale Namensschuldverschreibung über die etablierte Stellar Blockchain, die wir im Januar 2021 begeben haben.
Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
wir erwarten, dass wir unseren Weg 2021 erfolgreich fortsetzen werden. Dabei halten wir Ihre Interessen und die unserer Mieterinnen und Mieter und der Gesellschaft gut im Gleichgewicht. Ich bin dankbar, dass ich zusammen mit meinem Vorstandsteam ein Unternehmen führen darf, das eine hoch engagierte Führungsmannschaft hat und auf einem festen Fundament steht. Das verpflichtet. Und dieser Verpflichtung werden wir auch weiterhin nachkommen.
In wenigen Wochen schon, am 16. April, werden wir wie im vergangenen Jahr zu einer virtuellen Hauptversammlung zusammenfinden. Dort werden wir Ihnen gemeinsam mit dem Aufsichtsrat eine Dividende von 1,69 € pro Aktie vorschlagen. Unser Geschäftsmodell ist auch in schwierigen Zeiten widerstandsfähig und trägt zur Stabilisierung des Umfelds bei.
Gemeinsam mit meiner Vorstandskollegin Helene von Roeder sowie meinen Vorstandskollegen Arnd Fittkau und Daniel Riedl danke ich Ihnen, unseren Aktionärinnen und Aktionären, unseren Partnerinnen und Partnern sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Ihr Vertrauen im vergangenen Jahr. Begleiten Sie uns auch durch das laufende Jahr. Wir zählen auf Sie!
Bochum, im März 2021
Ihr
Rolf Buch
Vorsitzender des Vorstands
Rolf Buch (CEO)