Halbjahresbericht 2020

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Schweden

Skandinavien wurde von der Corona-Pandemie etwas später erreicht als der Rest Westeuropas. Daher hat sich die Krise im 1. Quartal 2020 nur geringfügig auf die schwedische Volkswirtschaft ausgewirkt. Die Dynamik des BIP sank zwar laut dem schwedischen Statistikamt SCB, dennoch konnte gegenüber dem Vorquartal eine marginale Steigerung von 0,1% erzielt werden. Der private Konsum, allen voran geringe Autokäufe aufgrund des seit Jahresbeginn neuen Kfz-Besteuerungssystems, und die Anlageinvestitionen gingen zurück, aber die Nettoexporte waren stärker als erwartet.

Die schwedische Regierung hat sich für eine Strategie mit geringeren Einschränkungen des öffentlichen Lebens und größerem Vertrauen auf verantwortungsbewusstes Verhalten der Menschen entschieden. Handel und Dienstleistungen standen trotz hoher Krankheits- und Todesraten größtenteils zur Verfügung. Dennoch hat die Kauflust unter der Pandemie gelitten. Der vom Nationalen Institut für Wirtschaftsforschung (NIWF) erfasste Index des Verbrauchervertrauens erlebte eine weitaus schnellere Talfahrt als zur Finanzkrise 2008 und fiel im April auf einen vergleichbaren Tiefstand wie 2008, zeigte im Juni jedoch wieder eine positive Tendenz. Demnach wird die Konsumentwicklung im 2. Quartal 2020 mit etwa -8% ihren Tiefpunkt erreichen. Der Aktivitätsindikator der schwedischen Statistik zeigt, dass die Aktivität in der Gesamtwirtschaft im April im Jahresvergleich um etwas mehr als 7% zurückgegangen ist. Zusätzliche Unternehmensbefragungen des NIWF zur Umsatzentwicklung im Vergleich zu einer normalen Situation zeigen auf, dass die Umsätze in den am stärksten betroffenen Sektoren Produktion und Dienstleistungen im Mai um rund 20% unter dem Normalwert lagen, was zum Teil auf einen starken Rückgang der Exportnachfrage, aber auch auf eine Unterbrechung der Lieferketten zurückzuführen ist. Insgesamt erwartet das NIWF einen Rückgang des schwedischen BIP um 9,5% im 2. Quartal 2020. Auch in Schweden wird der Abschwung durch eingeleitete wirtschaftspolitische Maßnahmen gemildert. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sollen durch eine umfassende Nutzung der Kurzarbeitsregelung abgefedert werden. Dennoch meldete das SCB für Mai eine Arbeitslosenquote von 9,0%, die 2,2 Prozentpunkte über dem gleichen Vorjahresmonat liegt. Der Verbraucherpreisindex mit einem festen Zinssatz (CPIF) betrug im April -0,4% und 0,0% im Mai. Die niedrigen Energiepreise tragen weitgehend zu der Talfahrt der Inflation bei, zumal der Ölpreis in diesem Jahr stark nachgegeben hat. Die Riksbank hat den Zinssatz unverändert bei 0,0% belassen.

In den kommenden Monaten wird kein so starker Aufschwung der wirtschaftlichen Aktivität wie in der Euro-Zone erwartet, da die schwedische Wirtschaft nicht im gleichen Maße stillgelegt wurde und die von den sozialen Distanzierungsempfehlungen am stärksten betroffenen Sektoren relativ klein sind. Darüber hinaus zeigt eine Umfrage der Riksbank, dass die Unternehmen im Allgemeinen eine langsame und zögerliche Erholung erwarten und damit auch Investitionen zurückhalten werden. Am stärksten trifft es Investitionen in die Fertigung, wo die Kapazitätsauslastung bereits so niedrig ist wie zur Finanzkrise. Der private Konsum dürfte sich zunehmend erholen, auch wenn der aufgebaute Rückstau durch sinkende Haushaltseinkommen und steigende Arbeitslosigkeit konterkariert wird. Der für Schweden wichtige Export gewinnt wieder an Fahrt, jedoch bestehen nach wie vor Unsicherheiten über die Möglichkeit neuer Abriegelungen von Regionen oder Produzenten, was die Lieferketten erneut unterbrechen könnte. Die schwedischen Güterimporte sind bereits seit Herbst 2019 rückläufig. Im Jahresverlauf 2020 wird sich der Trend weiter vertiefen und zusätzlich auf Dienstleistungen überschwappen.

Die Riksbank geht davon aus, dass das BIP in diesem Jahr um 6,9%, bei einer zweiten Infektionswelle bis 9,7%, schrumpfen dürfte. Das NIWF kommt zu dem Schluss, dass die schwedische Wirtschaft im 3. Quartal wieder anziehen, der besonders tiefe wirtschaftliche Abschwung aber in diesem Jahr anhalten und auch das Folgejahr noch belasten wird. Für 2020 rechnet das Institut mit einem Rückgang von 5,7%, 2021 mit einem Wachstum von 3,4%.

Die Arbeitslosenquote dürfte bis Jahresende auf einem Niveau von etwa 10% verharren und auch in den Folgejahren nur langsam wieder sinken. Das NIWF geht davon aus, dass die Inflationsrate für die nächsten Jahre deutlich unter dem Zielniveau von 2,0% liegen dürfte. Die niedrige Staatsverschuldung in Schweden lässt der Fiskalpolitik viel Spielraum für weitere unterstützende Maßnahmen. Zudem hat die Riksbank betont, dass sie eine Zinssenkung nicht ausschließt. Die Krone ist bereits relativ schwach und es ist schwierig zu bestimmen, wie sich eine Zinssenkung auf die aktuelle Situation auswirken würde. Das NIWF geht daher davon aus, dass der Zinssatz bei 0,0% bleiben wird.

Laut dem schwedischen Verband der kommunalen Wohnungsunternehmen Sveriges Allmännytta ist der schwedische Wohnungsmarkt spürbar angespannt. Die Bevölkerung ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen und wird nach der jüngsten Prognose von Boverket, dem schwedischen Amt für Wohnungswesen, Bauwesen und Raumordnung, im Zeitraum 2020-2025 voraussichtlich um mehr als 458.000 Menschen weiter zunehmen. Das Neubaugeschehen blieb derweil hinter dem Bevölkerungszuwachs zurück. In weiten Teilen des Landes und insbesondere in den Metropolregionen herrscht Wohnungsmangel. Zwar nimmt die Zahl der Gemeinden mit einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt zu, dennoch melden laut der diesjährigen Wohnungsmarktumfrage von Boverket 212 der 290 Gemeinden Mangel an Wohnraum, darunter alle Gemeinden der drei Großräume Stockholm, Göteborg und Malmö. Es muss vor allem das Angebot an Mietwohnungen ausgeweitet werden und es fehlt an Wohnungen für Haushalte mit niedrigen Einkommen und solche, die aus anderen Gründen eine schwache Position auf dem Wohnungsmarkt haben. Die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt wird sich voraussichtlich auch in Zukunft fortsetzen, aber die Anzahl der Gemeinden, die in drei Jahren noch mit Wohnungsknappheit rechnen, ist etwas geringer als heute. Der Wohnungsbau wird in vielen Gemeinden durch hohe Baukosten gebremst. Zudem begrenzen strenge Kreditvergabebedingungen bzw. Schwierigkeiten für Privatpersonen, Kredite zu erhalten, den Neubau.

Nach Angaben des Statistischen Amtes in Schweden stiegen die Mieten 2019 im Durchschnitt um 1,9%. Das war der höchste Anstieg seit 2013. Die Mieten dürften auch weiterhin steigen. Nach Angaben von „Hem & Hyra“, der Mitgliederzeitung des schwedischen Mieterverbandes („Hyresgästföreningen“), waren im Juni 2020 die diesjährigen Mietverhandlungen weitgehend abgeschlossen. Als der Mieterverband die Verhandlungen Anfang des Frühjahres zusammenfasste, betrug der durchschnittliche Anstieg 1,9%. Infolge der Corona-Pandemie hat sich der Anstieg etwas verlangsamt. Die zuletzt getroffenen Vereinbarungen sind laut Hem & Hyra spürbar niedriger als vor Ausbruch der Pandemie. Die Folgen der Corona-Krise sind noch nicht vollständig absehbar, aber die Assetklasse der Mietwohnungen wird vom Markt mit vergleichsweise geringem Risiko bewertet und könnte nach Einschätzung der Experten des Immobilien-Beratungsunternehmens Svefa das Immobilenmarktsegment sein, das die Corona-Krise mit am besten bewältigt. Das Interesse am Segment sei nach wie vor groß. Am Markt für Wohneigentum hatten sich vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie die Immobilienpreise nach dem Rückgang Ende 2017 wieder erholt, berichtet Boverket. Im 1. Quartal des laufenden Jahres setzte sich der Aufschwung zunächst fort. Gemessen am Valueguards HOX-Preisindex für die Preisentwicklung typischer Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser gingen dann im April, dem Monat, der bis dahin am stärksten von der Corona-Situation betroffen war, die Wohneigentumspreise zwar spürbar zurück, stiegen aber im Mai wieder merklich an. Der HOX-Preisindex lag im Juni 2020 5,5% höher als zwölf Monate zuvor. Das NIWF erwartet zwar im laufenden Jahr keinen Einbruch der Wohneigentumspreise, es bestehe aber erhebliche Unsicherheit darüber, wie sich diese entwickeln werden. Ein von Experten prognostizierter möglicher Rückgang der Immobilienpreise gegenüber dem Höchststand könne nach Ansicht des Boverket durch das starke 1. Quartal 2020 etwas gebremst werden. Der weitere Verlauf hängt aber nicht zuletzt von der Entwicklung der Gesamtwirtschaft ab. Die Experten der Swedbank schätzen, dass sich der Immobilienmarkt später im Jahr 2020 und im Jahr 2021 erholen wird. Die Zinssätze bleiben niedrig und der Bedarf an Wohnraum in einer ständig wachsenden Bevölkerung sei hoch.

Das Baugewerbe scheint von der Pandemie weniger hart getroffen als manche andere Wirtschaftszweige. Darauf deuten die im Rahmen der Konjunkturumfrage („Economic Tendency Survey“) gegebenen Antworten der Unternehmen hin. Im Umfeld der Corona-Pandemie verliert der Wohnungsbau dennoch an Tempo. Baugenehmigungen und Wohnungsbaustarts gingen laut NIWF im 1. Quartal 2020 zurück, ein Trend, der sich voraussichtlich im Laufe des Jahres fortsetzen wird. Die Wohninvestitionen werden erheblich sinken, wenn auch mit einer gewissen Zeitverzögerung. Die Anzahl der Baufertigstellungen wird laut einer Prognose des Boverket nach dem Höhepunkt mit durchschnittlich je etwa 58.500 fertiggestellten Wohnungen in den Jahren 2018 und 2019 auf voraussichtlich 53.000 Wohnungen im Jahr 2020 sinken. Im Jahr 2021 könnten geschätzt 47.000 Wohnungen fertiggestellt werden. Damit bliebe die Bautätigkeit weiter hinter dem aktuellen Bedarf zurück. Boverket rechnet in seiner Wohnbedarfsberechnung vom Juni 2019 mit einem Baubedarf von jährlich 64.000 Wohnungen bis 2027. Rund 75% des Bedarfs entfallen auf die drei Metropolregionen.

Am schwedischen Transaktionsmarkt wurden laut der unabhängigen Beratungsfirma Pangea Property Partners im 1. Halbjahr 2020 Immobilien im Wert von 6,7 Mrd. € gehandelt, 14% weniger als im Vorjahreszeitraum. Gemessen am Umsatz bildeten Wohnimmobilien mit einem Anteil von 38% das größte Segment. Nach Auskunft von Catella ist die Preisgestaltung am Transaktionsmarkt für günstig gelegene Mietwohnungen und öffentliche Immobilien in den Großstädten bisher nicht von der Corona-Krise betroffen. Es besteht eine gute Chance, dass es hier in Zukunft zu einem aufwärts gerichteten Druck auf die Preise kommt, da sich große Mengen an institutionellem Kapital jetzt mehr oder weniger vollständig auf diese Segmente konzentrieren. Laut Catella glauben Investoren, dass die Immobiliensegmente mit der besten Performance im Jahr 2020 öffentliche Immobilien (wie Pflegeheime, Schulen und öffentliche Gebäude) und Mietwohnimmobilien sein werden.