Halbjahresbericht 2020

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Österreich

Auch in Österreich wurden seit Mitte März strenge Eindämmungsmaßnahmen umgesetzt, die die wirtschaftliche Aktivität vorübergehend stark reduzierten. Das BIP ging laut der Österreichischen Nationalbank (OeNB) bereits im 1. Quartal 2020 um 2,5% zurück. Betroffen waren zum einen viele konsumnahe Dienstleistungsbranchen, die ihre Geschäftstätigkeit zum Teil einstellen oder einschränken mussten. Auch die Exporte gingen empfindlich zurück und damit auch die Industrieproduktion. Neben dem Nachfrageausfall erschwerten vor allem die Grenzschließungen die Zulieferung von Vor- und Zwischenprodukten. Auch wenn die Maßnahmen seit Mitte April zunehmend gelockert wurden, wird für das 2. Quartal 2020 ein noch deutlicherer Rückgang des BIP um rund 11% erwartet. Die Indikatoren aus dem Konjunkturtest des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) zur aktuellen Lage der Gesamtwirtschaft zeigten im Juni einen Trend nach oben, lagen jedoch weiter nahe der historischen Tiefstwerte. Auch die Erwartungen der österreichischen Unternehmen sind im Juni über alle Sektoren hinweg deutlich weniger negativ als im Vormonat – den positivsten Trend weist dabei die Bauwirtschaft auf. Mit dem Einbruch der Wirtschaft stieg die Arbeitslosigkeit ab Mitte März abrupt an. Trotz Abfederungen durch Kurzarbeiterprogramme erreichte die Arbeitslosenquote nach nationaler Definition im April mit 12,7% ein Allzeithoch. Im Mai sank sie laut WIFO auf 11,5% und lag damit 4,7 Prozentpunkte über dem Vorjahresmonat. Nachdem die österreichische HVPI-Inflationsrate im Februar 2020 noch 2,2% betrug, schwächte sie sich im März und April auf 1,6% bzw. 1,5% ab und ging im Mai 2020 auf 0,6% zurück.

Aufgrund der geringeren Infektionshäufigkeit und der früheren Öffnungsmaßnahmen ist die österreichische Wirtschaft weniger stark von der Corona-Krise betroffen als andere europäische Länder. Die Konsum- und Investitionsnachfrage kommt jedoch vorerst kaum in Schwung und die exportorientierte österreichische Wirtschaft wird nur mit globaler Unterstützung wieder auf den Wachstumspfad zurückfinden. Die Bank Austria geht davon aus, dass sich durch einen Aufschwung im 2. Halbjahr 2020 der Rückgang des BIP in Österreich im Jahr 2020 auf rund 9% begrenzen lässt. Für 2021 rechnet die Bank Austria weiterhin mit einem Aufholprozess und einem BIP-Anstieg von rund 8%. Entscheidenden Einfluss dürfte dabei haben, wie schnell der private Konsum vor dem Hintergrund der verunsicherten Verbraucher wieder in die Gänge kommen wird.

Der Konjunkturprognose der OeNB liegen zwei wesentliche Annahmen zugrunde: Es kommt zu keiner zweiten Infektionswelle im Herbst und Mitte 2021 steht eine medizinische Lösung zur Verfügung. Auf dieser Basis erwartet die OeNB für die heimische Wirtschaft einen Rückgang des BIP von 7,2% im Jahr 2020. Die Exporte sinken dabei um 11,6% und auch für die Bruttoanlageinvestitionen (–6,7%) und den privaten Konsum (–5,8%) werden im Jahr 2020 starke Rückgänge erwartet. Der Aufholprozess infolge von Nachholeffekten sowie des verbesserten Wirtschaftsvertrauens dürfte nach Schätzung der Nationalbank im Jahr 2021 zu einem Wachstum von 4,9% führen. Die OeNB erwartet, dass das Niveau des BIP voraussichtlich erst wieder im Jahr 2022 jenem vor Ausbruch der Pandemie entsprechen wird. Die HVPI-Inflation wird prognosegemäß im Jahr 2020 auf 0,8% sinken, im Jahr 2021 auf diesem Niveau verharren und sich erst im Jahr 2022 wieder auf 1,5% beschleunigen. Die Arbeitslosenquote wird laut der Bank Austria in der zweiten Jahreshälfte voraussichtlich im zweistelligen Bereich bleiben. Das Erholungstempo der Wirtschaft wird nachfragebedingt zu gering sein, um einen rascheren Rückgang zu ermöglichen. Zudem befinden sich derzeit noch über eine Million Menschen in Kurzarbeit.

Die Rahmenbedingungen am Immobilienmarkt erschienen zu Jahresbeginn 2020 zunächst unverändert positiv. Das Jahr 2019 wurde durch das anhaltend niedrige Zinsniveau, ein leicht rückläufiges, aber immer noch gutes Immobilienangebot sowie eine in den meisten Regionen weiterhin sehr gute Nachfrage nach Immobilien seitens Eigennutzer und Anleger geprägt, woran sich nach damaliger Experteneinschätzung voraussichtlich auch im Jahr 2020 nichts Wesentliches ändern sollte. Die Corona-Krise und die von der österreichischen Bundesregierung getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus haben spürbare Auswirkungen auf den österreichischen Immobilienmarkt. Nach einem Rückgang der Anfragen bezüglich Anmietung oder Kauf von Wohnungen zu Beginn der Corona-Krise hat sich die Situation laut EHL nach Ostern spürbar gebessert. Mittelfristig werden steigende Arbeitslosigkeit und sonstige wirtschaftliche Verschlechterungen nachfrageseitig einen dämpfenden Effekt haben. Der strukturelle Bedarf nach zusätzlichem Wohnraum in städtischen Lagen wird laut EHL aber dafür sorgen, dass dieser nicht allzu stark ausfallen wird. Die Bevölkerungszahl Österreichs hat in der Vergangenheit stark zugenommen und wird auch in Zukunft weiter wachsen, berichtet die Österreichische Raumordnungskonferenz. Laut der aktuellen Bevölkerungsprognose von Statistik Austria wird die Bevölkerungszahl Österreichs von 8,84 Millionen (2018) bis 2040 um 7% auf 9,43 Millionen steigen. Nach Angaben der Bank Austria trägt der Wohnungsbau in Österreich seit einigen Jahren dem hohen Angebotsdefizit am Wohnungsmarkt Rechnung. 2018 wurde mit schätzungsweise 66.000 fertiggestellten Einheiten die höchste Bauleistung seit Jahrzehnten erreicht; damit konnte der laufende Wohnungsbedarf im Bundesdurchschnitt vermutlich gedeckt werden. Allerdings bestehen in einzelnen Marktsegmenten nach wie vor große Angebotslücken, vor allem im Bereich günstiger Mietwohnungen. Immer klarer zeigt sich laut EHL, dass die Corona-Krise vor allem auf die Angebotsseite recht deutlichen Einfluss haben wird. Zwar wird die für 2020 erwartete Fertigstellung von 19.000 Wohnungen allein in Wien aus heutiger Sicht trotz aller Einschränkungen tatsächlich erreicht werden. Bei der Zahl der Baubewilligungen und damit den Fertigstellungen in den Jahren 2022 und 2023 wird es aber voraussichtlich einen signifikanten Rückgang geben.

Welche Effekte die Corona-Krise auf die Entwicklung der Wohn- und Mietpreise in der nahen Zukunft haben wird, lässt sich laut OeNB gegenwärtig noch kaum abschätzen und hängt insbesondere von der Dauer und Intensität der Krise ab. Für die Daten zur Preisentwicklung im 1. Quartal 2020 war noch kein bedeutender Effekt der Corona-Krise zu bemerken, da nur die letzten zwei der zwölf Wochen von den Eindämmungsmaßnahmen betroffen waren. Entsprechend zeigen die Werte des aktuellen Wohnimmobilienpreisindex der OeNB auf Basis neuer und gebrauchter Eigentumswohnungen sowie Einfamilienhäuser in Österreich für das 1. Quartal 2020 ein Plus von 3,4% gegenüber dem Vorjahr bzw. 1,7% gegenüber dem Vorquartal. In Wien stiegen die Preise gegenüber dem Vorjahr um 3,9%. Im übrigen Bundesgebiet (Österreich ohne Wien) lag die Preisentwicklung im gleichen Zeitraum bei 2,8%. Während laut OeNB von Immobilienexperten ein Rückgang oder bestenfalls eine Stagnation der Mieten erwartet wird, stiegen die Wohnungsmieten laut VPI von Statistik Austria in Österreich seit Jahresbeginn Monat für Monat an und lagen im Juni 2020 3,7% höher als im Juni 2019. Der Wohnungsmarkt ist laut CBRE krisenresistenter als die gewerblichen Immobilienmärkte. Die Nachfrage nach der Assetklasse ist weiterhin hoch. Die grundlegenden defensiven Eigenschaften des MFH-Sektors sollten Investitionen langfristig aufrechterhalten und der Mietwohnungsmarkt könnte durch aufgeschobene Investitionsentscheidungen von Eigennutzern gestärkt werden. Bei Neuentwicklungen wird erwartet, dass Development-to-Sell-Projekte bis zu einem gewissen Grad auf Development-to-Hold-Projekte umgestellt werden. Vergleichsweise bessere Voraussetzungen am österreichischen Arbeitsmarkt könnten bestehende Pull-Faktoren verstärken und zu höherer Arbeitsmigration nach Österreich führen, was Auswirkungen auf die Wohnungsnachfrage haben kann. Im Falle anhaltender Probleme am Arbeitsmarkt bestehen jedoch Bedenken hinsichtlich künftiger Mietzahlungen und der Nachfrage nach aktuell leerstehenden und neuen Mietwohnungen.

Laut EHL ist der österreichische Investmentmarkt trotz Corona-Krise stark und aktiv. Das Transaktionsvolumen lag im 1. Halbjahr 2020 bei rund 1,5 Mrd. €. Trotz eines Rückgangs um 11% im Halbjahresvergleich wurde damit ein Wert erreicht, der noch vor wenigen Jahren auch unter normalen Begleitumständen als durchaus zufriedenstellend bewertet worden wäre. Bemerkenswert ist laut EHL, dass das „Corona-Quartal“ Q2 sogar deutlich stärker als das 1. Quartal 2020 ausfiel. Die risikoaverse Grundstimmung am Markt schlägt sich in großem Interesse am Segment Wohnen nieder. Auf die Nutzungsart Wohnen entfielen 33% des Transaktionsvolumens. Im 2. Halbjahr 2020 ist laut EHL mit einem deutlichen Anstieg des Transaktionsvolumens im Vergleich zur ersten Jahreshälfte zu rechnen. Bereits im Juni hat sich das Marktgeschehen wieder weitgehend normalisiert.