Halbjahresbericht 2021

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Schweden

Die schwedische Wirtschaft hat sich trotz eines schwierigen Pandemiewinters gut behauptet. Nach einer rasanten Ausbreitung des Coronavirus im 1. Quartal 2021, die zu einer erheblichen Belastung des Gesundheitssystems und strengeren Maßnahmen im öffentlichen Leben und in der Wirtschaft führte, erreichte die dritte Welle im April ihren Höhepunkt, und erst seit Juni sind die Infektionszahlen deutlich zurückgegangen. Dennoch konnte im 1. Quartal 2021 ein leichter Anstieg des saisonbereinigten BIP von 0,8% gegenüber dem Vorquartal erzielt werden. Ein Großteil des BIP-Wachstums resultierte aus höheren Lagerinvestitionen, aber auch die Exporte stiegen relativ schnell um 1,3%. Da die Importe um 1,4% zunahmen, war der Einfluss der Netto­exporte auf das BIP-Wachstum insgesamt begrenzt. Der Konsum der privaten Haushalte stieg laut Statistics Sweden (SCB) mit einer relativ normalen Rate von 0,5%, während der Staatskonsum um 0,4% zunahm.

Der SCB berichtete, dass die Arbeitslosenquote im Mai bei 9,1% lag gegenüber 9,3% zu Beginn des Jahres. Die methodische Umstellung der schwedischen Arbeitskräfteerhebung zum 1. Januar 2021 aufgrund der neuen EU-Rahmenverordnung für Sozialstatistiken hat zu Brüchen in den Zeitreihen geführt, sodass Vergleiche mit dem Vorjahr nicht sinnvoll sind. Die Inflation, gemessen am Anstieg des Verbraucherpreisindex mit festem Zinssatz (CPIF), lag sowohl im April als auch im Mai dieses Jahres bei über 2%, was vor allem auf höhere Rohstoff- und Energiepreise zurückzuführen ist, die auch durch Lieferengpässe angeheizt wurden.

Nach einem langsamen Start ist die Impfung nun im Gange. Es wird erwartet, dass die Beschränkungen und Empfehlungen ab dem Sommer allmählich gelockert werden – vorausgesetzt, die Ausbreitung der Infektion ist nachhaltig zurückgegangen. Die schwedische Gesellschaft steht am Anfang einer deutlichen Erholung, vor allem die Konsumausgaben der Haushalte und der öffentlichen Hand werden in diesem Jahr zunehmen. Die Haushalte erhalten Steuererleichterungen, können aber auch ihre gestiegenen Ersparnisse ausgeben. Auch bei den wichtigsten Handelspartnern Schwedens verbessern sich die Aussichten in Bezug auf die Corona-Pandemie. Dies trägt dazu bei, dass die Nachfrage nach schwedischen Gütern seit dem 2. Quartal dieses Jahres schnell wächst. Außerdem nehmen die Investitionen zu, nicht zuletzt in der Industrie, aber auch die öffentlichen Investitionen verbessern sich in einem guten Tempo. Der Industriesektor wird zwar in nächster Zeit durch einen Mangel an Bauteilen (z. B. Halbleiter) und eine verzögerte Containerverschiffung, insbesondere aus Asien, etwas gedämpft, dürfte aber im weiteren Verlauf des Jahres wieder anziehen. Der Wohnungsbau wird voraussichtlich auf einem historisch hohen Niveau bleiben. Alles in allem sind die Voraussetzungen für eine weitere schnelle Erholung der schwedischen Wirtschaft in diesem Jahr gegeben. Die besseren Aussichten spiegeln sich auch im Konjunkturindikator wider, der auf dem höchsten Stand seit Beginn der Messungen im Jahr 1996 gestiegen ist. Insgesamt rechnet das Nationale Institut für Wirtschaftsforschung (NIWF) für 2021 mit einem Anstieg des BIP von 4,4% und für 2022 von 3,5%.

Die Arbeitslosigkeit wird voraussichtlich allmählich zurückgehen, da sich die Wirtschaftstätigkeit erholt und Arbeitsmarkt- und Ausbildungsmaßnahmen die Vermittlung von Arbeitsplätzen erleichtern. Das Niveau von vor der Pandemie wird erst gegen Ende 2022 wieder erreicht werden. Dies liegt vor allem daran, dass die Pandemie zu einer höheren Langzeitarbeitslosigkeit geführt hat, was die Vermittlung erschwert. Das NIWF erwartet eine Arbeitslosenquote von 8,7% für das Jahr 2021 und 7,6% für das Jahr 2022. Die Regierung hat angekündigt, dass einige der Förderungen, wie Kurzarbeit und Umorientierungshilfen, bis zum Sommer verlängert werden, um den wirtschaftlichen Auswirkungen der langwierigen Pandemie entgegenzuwirken. Seit dem Haushaltsentwurf für 2021 hat die Regierung weitere Maßnahmen angekündigt. Die meisten der verlängerten Maßnahmen beziehen sich auf die Unterstützung von Unternehmen. Die schwedische Minderheitsregierung steht derzeit auf wackeligen Beinen: Nach seinem Rücktritt infolge eines verlorenen Misstrauensvotums ist der schwedische Ministerpräsident Löfven Anfang Juli denkbar knapp wiedergewählt worden, nachdem er sein Vorhaben, die regulierten Mieten für Neubauten freizugeben, zurückgenommen hatte. Die Auswirkungen auf die Haushaltsberatungen bleiben abzuwarten.

Die Inflation wird wahrscheinlich unter dem Zielwert von 2% bleiben, was auf moderate Lohnabschlüsse und eine anhaltende Flaute in Teilen der Wirtschaft zurückzuführen ist. Eine Aufwertung der Krone würde die Inflation weiter nach unten ziehen. Die Geldpolitik bleibt mit Zinssätzen von Null sehr expansiv, während die Riksbank ihre Asset-Käufe in diesem Jahr fortsetzt. Es wird erwartet, dass der Reposatz während des gesamten Prognosehorizonts bei 0,0% bleibt. Für Schweden gelten die gleichen Prognoserisiken hinsichtlich des Pandemieverlaufs und der Lieferengpässe wie für Deutschland.

Im Umfeld der Corona-Pandemie werden Wohnimmobilien neben Gemeinschaftsimmobilien weiterhin als Gewinner am Immobilienmarkt und als sicherer Hafen für Kapital gesehen, so die Einschätzung der Experten des Immobilienberatungsunternehmens Svefa. Wohnimmobilien waren in den letzten Jahren ein sehr attraktives Anlagesegment mit sinkenden Renditeanforderungen und steigenden Preisen in ganz Schweden. Besonders Großstädte sowie Universitäts- und Hochschulstandorte haben eine positive Wertentwicklung verzeichnet. Insgesamt bleiben die Marktbedingungen für das Mietwohnungssegment in den Wachstumsmärkten weiterhin gut.

Die Bevölkerung ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen und wird nach aktueller Schätzung des SCB von 2020 bis 2040 um 900.000 auf mehr als 11 Mio. Einwohner steigen. Im Jahr 2020 verzeichnete Schweden allerdings pandemiebedingt das niedrigste Bevölkerungswachstum seit 15 Jahren. Das Neubaugeschehen blieb lange Zeit hinter dem Bevölkerungszuwachs zurück, weswegen in weiten Teilen des Landes, insbesondere in den Metropolregionen, Wohnungsknappheit herrscht. Die Zahl der Gemeinden mit einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt nimmt zwar zu, dennoch meldeten laut der Wohnungsmarktumfrage 2021 von Boverket (Schwedisches Amt für Wohnungswesen, Bauwesen und Raumordnung) 207 der 290 Gemeinden Mangel an Wohnraum. Die Regionen Stockholm, Göteborg und Malmö machten 2020 etwa 76% des Gesamtdefizits aus. Insbesondere Bevölkerungsgruppen, die neu auf dem Wohnungsmarkt sind, haben Schwierigkeiten, ihren Wohnraumbedarf zu decken, z. B. junge Menschen, Studenten und Neuankömmlinge (nyanlända), aber auch Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen, die ihre Wohnung wechseln wollen oder müssen. Der Wohnungsbau wird derweil in vielen Gemeinden durch hohe Baukosten gebremst. Zudem begrenzen z. B. strenge Kreditvergabebedingungen bzw. Schwierigkeiten für Privatpersonen, Kredite zu erhalten, den Neubau.

Nach Angaben des SCB stiegen die Mieten 2020 wie schon im Vorjahr im Durchschnitt um 1,9%. Die Mieten steigen auch 2021 weiter an. Das belegen die durch „Hem & Hyra“, der Mitgliederzeitung des schwedischen Mieterverbandes („Hyresgästföreningen“), veröffentlichten Ergebnisse aus den Mietverhandlungen für das Jahr 2021. Nach Berechnungen im April 2021 betrug die diesjährige durchschnittliche Mietsteigerung laut Hem & Hyra 1,23%. Wichtige Trends wie die fortschreitende Urbanisierung, schrumpfende Haushaltsgrößen sowie ein starker Anstieg der Preise für Eigentumswohnungen und Häuser treiben laut Savills die Nachfrage nach Mietwohnungen an. Dieser Trend könnte sich in Zeiten der Unsicherheit weiter verstärken. Die Preise für Wohneigentum sind während der Pandemie deutlich gestiegen. Zu den Gründen zählt laut Swedbank unter anderem, dass Haushalte ihren Wohnbedarf neu bewerten und die Nachfrage nach Einfamilienhäusern und größeren Wohnungen höher als das entsprechende Angebot ist. Valueguards HOX-Preis­index für die Preisentwicklung typischer Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser lag im Mai 2021 17,9% höher als 12 Monate zuvor. Der Anstieg wird insbesondere durch die Entwicklung der Preise für Einfamilienhäuser getrieben. Da sich die Corona-Situation stabilisiert und sich das Konsumverhalten der Haushalte normalisiert, schätzen die Experten der Swedbank, dass die Wohneigentumspreise 2021 und 2022 um rund 5% pro Jahr steigen werden. Laut Catella zeigt das Mietwohnsegment bereits seit dem Frühling 2020 eine spürbare Renditekompression.

Die starke Wohnungsnachfrage legt laut Boverket die Basis für eine deutliche Zunahme des Wohnungsbaus. Boverket schätzt, dass die Wohnungsbautätigkeit 2021 um 8% wächst, wenn mit dem Bau von 61.700 Wohnungen (2020: 57.000, einschließlich Zuwächse aus Umbaubaßnahmen) begonnen wird. Für 2022 wird eine weitere Zunahme um 4% erwartet. Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen ging 2020 (54.100, inkl. Zuwächse aus Umbaumaßnahmen) zurück und wird 2021 laut Boverkets Prognose voraussichtlich auf ähnlichem Niveau liegen, aber 2022 (57.500) wieder zunehmen. Die gestiegenen Materialpreise könnten die Entwicklungen bremsen. Da der Wohnungsbau allmählich zugenommen und sich das Bevölkerungswachstum verlangsamt hat, ist das Wohnungsdefizit zuletzt etwas zurückgegangen. Das Defizit hatte sich seit 2006, als die Bevölkerung schneller zu wachsen begann als der Wohnungsbau, über lange Zeit stetig aufgebaut. Laut diesjähriger Schätzung von Boverket müssen bis zum Jahr 2029 jährlich rund 59.000 Wohnungen neu gebaut werden, um dem erwarteten Bevölkerungswachstum gerecht zu werden und das aufgestaute Wohnungsdefizit abzubauen. Die hohe Neubaurate von Mietwohnungen kann laut Svefa jedoch langfristig insbesondere auf den weniger attraktiven Märkten zu einer geringeren Nachfrage beitragen.

Am schwedischen Transaktionsmarkt wurden laut der unabhängigen Beratungsfirma Pangea Property Partners im 1. Halbjahr 2021 Immobilien im Wert von 14,3 Mrd. € gehandelt, und damit doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum. Gemessen am Umsatz bildeten Wohnimmobilien mit einem Anteil von 22% das zweitgrößte Segment nach Büroimmo­bilien. Wohnen ist eines der sehr beliebten Segmente mit geringem Risiko auf dem derzeitigen Markt, sowohl in der nordischen Region als auch im Rest Europas.