Halbjahresbericht 2021

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Deutschland

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist der Konjunkturverlauf maßgeblich durch die zum Infektionsschutz ergriffenen Maßnahmen geprägt. Nach einer kräftigen Erholung von der ersten Corona-Welle hat die deutsche Wirtschaft aufgrund der verschärften Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zum Jahresbeginn 2021 einen vorübergehenden Dämpfer erfahren und das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ging im 1. Quartal 2021 um 1,8% zurück. Die Einschränkungen machten sich besonders bei den privaten Konsumausgaben bemerkbar, die im 1. Quartal 2021 preis-, saison- und kalenderbereinigt 5,4% niedriger waren als im 4. Quartal 2020. Dagegen stiegen die staatlichen Konsumausgaben leicht und lagen 0,2% über dem Niveau des Vorquartals. Positive Impulse kamen vor allem von den Bauinvestitionen, die um 1,1% gegenüber dem Vorquartal stiegen. In Ausrüstungen – vor allem in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge – wurde saisonbereinigt etwas weniger investiert als im Vorquartal (-0,2%). Der Handel mit dem Ausland nahm zum Jahresbeginn zu. Die Importe von Waren und Dienstleistungen stiegen im 1. Quartal 2021 mit 3,8% (preis-, saison- und kalenderbereinigt) aber deutlich stärker als die Exporte mit 1,8%.

Parallel zu den steigenden Impfraten, den Lockerungen der Corona-Beschränkungen und der hohen Nachfrage aus dem Ausland erholt sich die deutsche Wirtschaft kräftig. Der Erholungsprozess wird im Sommerhalbjahr vor allem von den konsumnahen Wirtschaftsbereichen, wie dem Handel und dem kontaktintensiven Dienstleistungsbereich, getrieben. Nach einer deutlichen Zunahme der privaten Konsumnachfrage im 2. Quartal 2021 dürfte zum Jahresende bereits das Vorkrisenniveau überschritten werden. In der zweiten Jahreshälfte erwartet das Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) kräftige Impulse aus dem Auslandsgeschäft und der heimischen Investitionstätigkeit. Allerdings setzen Lieferengpässe in einigen Branchen, die die weltweite Erholung mit sich gebracht hat, der Expansion Grenzen. Dies spiegelt sich in der aktuell großen Diskrepanz zwischen der sehr guten Auftragslage und der Produktion im Verarbeitenden Gewerbe wider. Die Engpässe beim Bezug von Halbleitern aus Ostasien dürften nicht nur die Dynamik im Export, sondern auch bei den Investitionen mindern. Mit dem Nachlassen dieser Friktionen werden die Exporte voraussichtlich wieder in erhöhtem Tempo zulegen, zumal der Anstieg der globalen Investitionstätigkeit stimulieren dürfte. Die Bauwirtschaft, die im Winterhalbjahr ein starkes Plus verzeichnen konnte, hat aktuell ebenfalls mit Versorgungsengpässen bei Rohstoffen, etwa mit Bauholz, zu kämpfen. Die positive Entwicklung des ifo Geschäftsklimaindex und die nach wie vor auf hohem Niveau stabilen Auftragseingänge sorgen dennoch für einen positiven Ausblick für die Industrie in den kommenden Monaten, auch wenn es im Mai einen unerwarteten Auftragseinbruch gab, der den führenden Ökonomen nach den Lieferengpässen und den extremen Preissteigerungen zuzuschreiben ist. Für dieses Jahr rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) mit einem Wachstum von 3,2% gegenüber dem Vorjahr und erwartet für 2022 eine kräftige Fortsetzung der Erholung mit 4,3%. Das IfW geht sogar von 3,9% für 2021 und 4,8% für 2022 aus.

Der Arbeitsmarkt erwies sich trotz des im Winterhalbjahr deutlich intensiveren Pandemiegeschehens und der damit verbundenen Eindämmungsmaßnahmen als außerordentlich stabil. Die Anpassung an die verminderte Wirtschaftsleistung erfolgte insbesondere über das Instrument der Kurz­arbeit. Mit den zunehmenden Öffnungsschritten lässt sich aktuell eine leichte Aufwärtsbewegung bei der Erwerbstätigkeit und Beschäftigung erkennen. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Erwerbstätigen (nach dem Inlandskonzept) im Mai 2021 saisonbereinigt gegenüber dem Vormonat um 15.000 gestiegen und die Arbeitslosenquote hat sich seit Jahresbeginn von 6,3% auf 5,7% im Juni verringert. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) rechnet im Jahresdurchschnitt mit einer Arbeits­losenquote von 5,8%, die im Jahr 2022 weiter auf 5,2% sinken dürfte.

Seit Januar 2021 hat sich die Inflationsrate deutlich beschleunigt und erreichte im Mai mit 2,5% den höchsten Wert seit 2008. Maßgeblich hierfür war zum einen die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer, zum anderen verteuerten sich die Energiepreise im Vergleich zum Vorjahr deutlich. Dazu trugen vor allem der kräftige Anstieg der Weltmarktpreise von Rohöl und die Einführung einer CO2-Emissionsabgabe bei. Nach Einschätzung des ifo-Instituts dürfte der Anstieg der Verbraucherpreise im Jahresdurchschnitt bei 2,6% liegen. Im Jahr 2022 sollten sich die Verbraucherpreise wieder moderater entwickeln und um durchschnittlich 1,9% zunehmen. Eine nachhaltige Erhöhung der Teuerungsrate ist aus heutiger Sicht nicht zu erwarten.

Das IfW geht davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) keine Änderungen an ihren geldpolitischen Instrumenten vornimmt. Mit einer Leitzinsanhebung (Hauptrefinanzierungssatz aktuell 0,0%) wird daher bis zum Ende des Prognosezeitraums nicht gerechnet.

Die Prognosen hängen stark vom weiteren Pandemieverlauf, dem Impffortschritt, aber auch von der Solvenz vieler Unternehmen ab. Abwärtsrisiken bestehen unter anderem darin, dass die Produktion und Verteilung von Impfstoffen gegen COVID-19 nicht ausreichend zügig vonstatten gehen oder die Impfbereitschaft zu niedrig ist, sodass es zu neuen und noch ansteckenderen Virusvarianten kommen könnte. Das könnte wiederum erneute Infektionsschutzmaßnahmen nach sich ziehen, die Konsum und Investitionsausgaben dämpfen würden. Weiterhin gehen die Prognosen von einer Auflösung der Engpässe im Frachtverkehr und bei den Rohstoffen im Laufe des Sommers aus. Dauern diese länger an, hat das nicht nur Einfluss auf die wirtschaftliche Erholung in vielen Volkswirtschaften, gleichzeitig könnte dies zu persistent höheren Vorleistungskosten führen, die sich in der Folge auf die Verbraucherpreise durchschlagen und die Inflationsraten nachhaltig erhöhen würden, zumal sich erhebliche Kaufkraft infolge der Pandemie bei den privaten Haushalten aufgestaut hat. Das würde wiederum den Druck auf die Notenbanken erhöhen, früher als bisher angekündigt einen restriktiveren Pfad einzuschlagen. Unsicherheit besteht schließlich auch im Hinblick auf die finanzpolitische Ausrichtung im kommenden Jahr nach der Bundestagswahl. In der Diskussion der Parteien stehen unterschiedliche Reformen des Steuer- und Abgabesystems sowie klimapolitische Maßnahmen, die im Vergleich zu dem in den Prognosen unterstellten Status quo sowohl zusätzliche Be- als auch Entlastungen der privaten Haushalte und Unternehmen mit sich bringen könnten. Andere, insbesondere außenwirtschaftliche Risiken klingen eher ab: Der Brexit ist vollzogen und die Handelsbeziehungen pendeln sich hier bereits ein. Die USA und China haben nach dem Regierungswechsel in den USA neue Handelsgespräche aufgenommen und teilweise wurden bereits Strafzölle ausgesetzt.

Die Situation auf den deutschen Wohnungsmärkten hat sich laut GdW in attraktiven Ballungsräumen und wachstumsstarken Regionen in den vergangenen Jahren schnell von einer weitgehend ausgeglichenen zu einer angespannten Marktlage verändert. Getrieben von der Zuwanderung stieg die Bevölkerungszahl in den vergangen Jahren stetig an. Jedoch wurde der Wachstumsprozess im Jahr 2020 im Zuge der Corona-Pandemie vorerst gestoppt und die Bevölkerung Deutschlands hat erstmals seit 2011 nicht zugenommen. Laut Destatis ist die Nettozuwanderung stark gesunken und der Sterbeüberschuss gestiegen. Die Experten des BBSR rechnen in ihrer jüngsten Bevölkerungsprognose damit, dass die Bevölkerung kurzfristig weiter wächst und erst im Jahr 2024 ihren Höchststand erreichen wird. Abzuwarten bleibt, inwieweit eine potenzielle Zuwanderung aus wirtschaftlich geschwächten Ländern der europäischen Peripherie die langfristige Wohnungsnachfrage in den deutschen Metropolen weiter verstärkt. Das verstärkte Arbeiten im Homeoffice könnte laut Helaba den Wohnraumbedarf perspektivisch erhöhen und die Nachfrage stärker von zentralen innerstädtischen Lagen an die Ränder der Ballungsräume verlagern. Ohnehin lässt sich hinsichtlich der Binnenwanderungsverflechtung der großen Städte eine Trendumkehr beobachten. Aufnahmekapazitäten für weitere Zuziehende werden in Ballungszentren immer knapper. Wohnungssuchende werden in das Umland verdrängt oder orientieren sich wieder stärker am Wunschbild des Eigenheims mit Garten am Stadtrand oder im Umland. Der Mietwohnungsmarkt ist seit langem von sehr niedrigen Leerständen geprägt. Jedoch profitieren nicht alle Regionen vom Bevölkerungswachstum. Laut GdW haben vor allem dünnbesiedelte Landkreise abseits der Zentren mit Schrumpfungsprozessen umzugehen. Wohnungen fehlen insbesondere in Großstädten, Ballungszentren und Universitätsstädten.

Trotz steigender Bautätigkeit wird weiterhin zu wenig gebaut. Immerhin 306.000 der aus Sicht des GdW benötigten 320.000 Wohnungen pro Jahr wurden 2020 auch errichtet. Allerdings sind nach wie vor zu wenige bezahlbare und Sozialwohnungen entstanden. Statt der benötigten 140.000 preisgünstigen Wohnungen sind 2020 nur gut 85.000 fertiggestellt worden. Dabei war der Wohnungsbau laut Helaba von den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie kaum betroffen, sodass die Bautätigkeit meist fortgesetzt wurde. Als Baubremse wirken laut GdW neben anhaltenden Kapazitätsengpässe im Baugewerbe u. a. die steigenden Bauwerkskosten und die Tatsache, dass Bau­stoffe, getrieben duch die Auslandsnachfrage, knapper und teurer werden.

Trotz Corona-Pandemie hat der Preisauftrieb bei deutschen Wohnimmobilien bis zuletzt angehalten, berichten die Experten vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und bestätigen Zahlen des Analysehauses empirica auf Grundlage der empirica-Preisdatenbank (Basis: VALUE Marktdaten). Der empirica Preisindex für Eigentumswohnungen (alle Baujahre) stieg entsprechend zum 2. Quartal 2021 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 14,1% (Neubau 11,7%). Die Wohnungsmieten entwickelten sich weiterhin deutlich weniger dynamisch als die Kaufpreise. Bundesweit nahmen die inserierten Mieten laut empirica im Durchschnitt aller Baujahre im 1. und 2. Quartal 2021 weiter zu und lagen im 2. Quartal 2021 im Durchschnitt 3,9% (Neubau 4,3%) höher als im Vorjahresquartal. Anders als empirica ermitteln die Experten von F+B zum Jahresbeginn (Daten zum 1. Quartal) eine fortgesetzte Stagnationsphase bei den Neuvertragsmieten. Die Bestandsmieten stiegen derweil laut F+B im 1. Quartal 2021 gegenüber dem Vorjahresquartal um 1,2% weiter an. Insgesamt sind heterogene Entwicklungen zu beobachten. So berichtet das Immobilienportal Immowelt, dass nur in 6 der 14 deutschen Großstädte mit mehr als 500.000 Einwohnern die Angebotsmieten für Bestandswohnungen im 2. Quartal gegenüber dem 1. Quartal 2021 steigen. Die übrigen 8 Städte weisen im gleichen Zeitraum stagnierende oder leicht sinkende Angebotsmieten auf. Tendenziell gehen die Experten von Immowelt deutschlandweit nach wie vor von leicht steigenden Mieten aus, insbesondere in den Großstädten mit niedrigem oder mittlerem Preisniveau. Das Urteil zum Mietendeckel lässt laut Analyse des Immobilienportals ImmoScout24 Angebot und Mietpreise in Berlin wieder steigen. Nach Einschätzung von DB Research (Stand: Dezember 2020) dürfte das Mietwachstum im Jahr 2021 in etwa einen Inflationsausgleich darstellen, während für die bundesweiten Haus- und Wohnungspreise ein kräftiger Anstieg um mehr als 6% gegenüber dem Vorjahr erwartet wird. Der empirica-Blasenindex für Deutschland zeigte im 1. Quartal 2021 für 324 von 401 Landkreisen und kreisfreien Städten eine mäßige bis hohe Blasengefahr.

Der Wohninvestmentmarkt wurde laut CBRE durch die Pandemie eher angetrieben als gebremst. Die Nachfrage übertrifft das verfügbare Angebot deutlich. Das Trans­aktionsvolumen (ab 50 Einheiten) lag im 1. Halbjahr 2021 bei rund 9,7 Mrd. € und damit 14% über dem Durchschnitt der vergangenen fünf ersten Halbjahre. Mit 2,8 Mrd. € war der Anteil an Forward-Deals im 1. Halbjahr 2021 besonders hoch. Metropolränder und andere Regionen gewinnen an Bedeutung.

Die Debatte um wohnungspolitische Maßnahmen und weitere regulatorische Verschärfungen dürfte im Jahr 2021 auch wegen der Bundestagswahl Schlagzeilen machen. Zu den politischen Maßnahmen und Entscheidungen mit Wirkung auf die Wohnungswirtschaft im 1. Halbjahr 2021 gehören z. B. die seit 1. Januar 2021 geltende CO2-Bepreisung, die Auswirkungen auf Wohnkosten, beispielsweise bei den Heizungskosten hat. Zum 23. Juni 2021 trat das Bauland­mobilisierungsgesetz in Kraft, welches u. a. Erleichterungen für den Wohnungsbau, aber auch einen Genehmigungsvorbehalt für die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in angespannten Wohnungsmärkten beinhaltet. Im Mai hat der Bundesrat einem Gesetz zugestimmt, das sogenannte Share Deals unattraktiver machen soll. Es trat am 1. Juli 2021 in Kraft. Außerdem wurde in der zweiten Junihälfte vom Bundestag eine Reform des Mietspiegelrechts beschlossen und vom Bundesrat gebilligt. Ziel ist es unter anderem, die Aussagekraft von Mietspiegeln zu verbessern. Für Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern werden Mietspiegel Pflicht. Mit Beschluss vom 25. März 2021 wurde das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin („Berliner Mietendeckel“) vom Bundesverfassungsgericht für mit dem Grundgesetz unvereinbar und damit nichtig erklärt.