Österreich
Mit den Erfolgen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie hat die österreichische Wirtschaft im Frühjahr kräftig an Fahrt gewonnen. Der Erholungsprozess wurde im 1. Quartal 2021 noch durch die strikten Eindämmungsmaßnahmen gebremst, welche den privaten Konsum und insbesondere den Tourismus belasteten. Nach ersten Berechnungen von Statistik Austria ist das BIP im 1. Quartal 2021 noch um 1,1% gegenüber dem Vorquartal geschrumpft. Die Bereiche Handel, Verkehr, Gastronomie und Beherbergung mussten infolge des dritten Lockdowns erneut deutliche Rückgänge verbuchen, während positive Impulse von Industrie und Bau kamen. Die Investitionen und die öffentliche Konsumnachfrage wurden ebenfalls ausgeweitet. Die Exporte waren insgesamt rückläufig, wenngleich sich die Teilkomponenten entgegengesetzt entwickelten: Während die Warenexporte anstiegen, gingen die Dienstleistungsexporte deutlich zurück. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den Importen, was wiederum die schwache inländische Nachfrage im 1. Quartal 2021 widerspiegelt. Insgesamt lag die Wirtschaftsleistung im Vergleich zum 1. Quartal 2019 auf 91,5% des Vorkrisenniveaus.
Die österreichische Volkswirtschaft scheint die Corona-Krise deutlich schneller als bisher erwartet zu überwinden und steht am Beginn einer Aufschwungphase. Hierbei prägt vor allem der rasche Fortschritt der Impfkampagne die wirtschaftlichen Perspektiven, da die damit einhergehende Aufhebung der behördlichen Einschränkungen die Wiederaufnahme der wirtschaftlichen Aktivität ermöglicht. Neben dem Erstarken des privaten Konsums tragen eine hohe Investitionsdynamik, die durch öffentliche Investitionsanreize sowie zunehmende Kapazitätsengpässe getrieben wird, und die kräftige Ausweitung der Exporte zum Konjunkturaufschwung bei. Die Ausfuhren profitieren hierbei von der Erholung der Weltwirtschaft. Die Stimmung unter den österreichischen Unternehmen hat sich im Juni weiter verbessert. Der WIFO-Konjunkturklimaindex notierte bei 22,6 Punkten (saisonbereinigt), was der höchste Wert seit März 2018 ist. Trotz Lieferengpässen verbreitert sich der Konjunkturaufschwung. Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat vor diesem Hintergrund seine Prognose für das Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr auf 3,4% angehoben. Für das Jahr 2022 wird ein Wachstum von 4,5% erwartet. Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) geht für 2021 sogar von einem BIP-Anstieg von 4,0% (2022: 5,0%) aus. Damit liegt das prognostizierte Wirtschaftswachstum für 2021 jedoch unter jenem des Euroraums (4,6%), wobei die Österreichische Nationalbank (OeNB) dafür vor allem im Ausfall des Wintertourismus einen wichtigen Grund sieht.
Mit der Öffnung vieler Dienstleistungsbranchen ab Mitte Mai hat sich die Lage am österreichischen Arbeitsmarkt spürbar verbessert. Die weitere Entspannung wird sich angesichts bestehender struktureller Herausforderungen wie der hohen Langzeitarbeitslosigkeit jedoch weiterhin nur schrittweise vollziehen. Nach Berechnungen des Arbeitsmarktservices Österreich (AMS) war die Zahl der unselbstständig Beschäftigten mit 3,86 Mio. im Juni erneut etwas höher als im Vormonat, während die Arbeitslosenquote (nationale Definition) mit 7,0% abermals im Vergleich zum Vormonat und seit Jahresbeginn um 4,4 Prozentpunkte gesunken ist. Das IHS rechnet für 2021 mit einer durchschnittlichen Arbeitslosenquote von 8,4%, die im Jahr 2022 auf 7,9% sinken sollte. Trotz der verbesserten Aussichten wird die Arbeitslosigkeit damit aber auch am Ende des Prognosezeitraums noch über dem Vorkrisenniveau bleiben.
Nach einem moderaten Jahresbeginn hat sich die Inflation in Österreich mittlerweile erwartungsgemäß spürbar erhöht. Ausschlaggebend war der Anstieg der Rohstoffpreise, insbesondere von Erdöl als Folge der einsetzenden globalen Erholung. Hinzu ist kürzlich die Verknappung von diversen Vormaterialien aufgrund von Lieferengpässen und erst langsam hochfahrenden Produktionskapazitäten gekommen. Schließlich setzten mit der Öffnung der Wirtschaft und der entsprechenden Nachfrage nach diversen Dienstleistungen auch in diesem Bereich kräftige Preisanstiege ein, die sich im Mai und Juni nach Schätzungen von Statistik Austria bereits in einem Anstieg der Inflationsrate laut Harmonisiertem Verbraucherpreisindex (HVPI) auf 3,0% bzw. 2,8% ausgewirkt haben. Damit liegt die Teuerung aktuell so hoch wie zuletzt Ende 2012. Dem WIFO zufolge wird die Inflationsrate (HVPI) 2021 auf durchschnittlich 2,3% anziehen (2020: 1,4%). Ausschlaggebend dafür ist weiterhin neben der kräftigen Konsumnachfrage die Weitergabe der hohen Preise für Rohstoffe und Intermediärgüter. Auch 2022 dürfte der Preisauftrieb mit 2,1% hoch bleiben, nicht zuletzt aufgrund der überdurchschnittlichen Kapazitätsauslastung der Gesamtwirtschaft, die vor allem die inländische Preisdynamik antreibt.
Im Hinblick auf die internationalen Risiken würde sowohl eine geringe Durchimpfung der Bevölkerung als auch ein Fortschreiten von Virusmutanten den wirtschaftlichen Erholungsprozess verzögern. Desweiteren könnte auch eine zu rasche Einstellung der Unterstützungsmaßnahmen die Wirtschaftsentwicklung belasten. Der starke Anstieg der Rohstoffpreise, Lieferverzögerungen etwa im Elektronikbereich sowie Schwierigkeiten beim internationalen Transport stellen weitere Risikofaktoren dar. Für die Wirtschaft Österreichs bildet ein Wiederaufflackern der Pandemie das größte Abwärtsrisiko, da neuerliche Eindämmungsmaßnahmen den privaten Konsum und den Tourismus stark belasten würden.
Negative Auswirkungen im Zuge der Corona-Krise waren im Wohnsektor nur eingeschränkt zu spüren. Der bereits im Jahresverlauf 2020 zu beobachtende Trend zu stärker steigenden Immobilienpreisen setzte sich laut OeNB auch im 1. Quartal 2021 weiter fort. So zeigen die Werte des aktuellen Wohnimmobilienpreisindex der OeNB auf Basis neuer und gebrauchter Eigentumswohnungen sowie Einfamilienhäuser in Österreich für das 1. Quartal 2021 ein Plus von 12,3% gegenüber dem Vorjahr. In Wien stiegen die Preise gegenüber dem Vorjahr um 10,9%. Im übrigen Bundesgebiet (Österreich ohne Wien) lag die Preisentwicklung im gleichen Zeitraum bei 14,0%. Preistreibend wirkten neben Einfamilienhäusern auch neue Eigentumswohnungen. Die Annahme, dass die höheren Preissteigerungen seit dem Ausbruch der Pandemie mit den Lockdowns und vermehrtem Homeoffice in Zusammenhang stehen, scheint laut OeNB bestätigt. Die Abweichung der Preisentwicklung bei Wohnimmobilien von der Entwicklung der im Fundamentalpreisindikator der OeNB enthaltenen Faktoren hat sich in den letzten Quartalen beschleunigt, was auf eine zunehmende Überhitzung des Wohnimmobilienmarkts hindeutet. Die Wohnungsmieten stiegen laut VPI von Statistik Austria in Österreich im Mai 2021 um 3,9% gegenüber dem Vorjahr, wobei gegenüber dem Vormonat April ein leichter Dämpfer zu verzeichnen war.
Österreichweit erwarteten die Experten des Immobiliendienstleisters RE/MAX für 2021 ein grundsätzlich positives Immobilienjahr, Angebot und Nachfrage nach Immobilien nehmen weiter zu. Im Ergebnis dürften die Kaufpreise für Wohnimmobilien insgesamt steigen, aber schwächer als zuvor. Die Nachfrage nach Mietwohnungen wird 2021 voraussichtlich schwächer steigen als das Angebot. Die Neuvermietungen im Bereich der frei zu vereinbarenden Mieten könnten daher etwas niedriger ausfallen als die Abschlüsse der Jahre zuvor. Bei steigender Nachfrage und sich verringerndem Angebot dürften die Preise für Stadt- und Zinshäuser in Österreich laut RE/MAX im Jahr 2021 weiter steigen. Für Wien rechnet der Immobiliendienstleister EHL 2021 mit Mietsteigerungen maximal im Bereich der Inflationsrate und Steigerungen der Wohnungskaufpreise von 4 bis 5%.
Die positive Entwicklung der Bevölkerungszahl Österreichs wird voraussichtlich weiter anhalten. Laut der aktuellen Bevölkerungsprognose von Statistik Austria steigt die Bevölkerung Österreichs von 8,88 Mio. (2019) bis 2040 um voraussichtlich 6% auf 9,45 Mio. Personen. Nach Angaben der Bank Austria trägt der Wohnungsbau in Österreich seit einigen Jahren dem stark gestiegenen Bedarf an Wohnraum Rechnung. Allerdings hat die Aktivität im Wohnbau laut OeNB im Jahr 2020 abgenommen. Zudem ist die Bauwirtschaft derzeit mit Lieferengpässen und starken Preisanstiegen bei Baumaterialien konfrontiert. Laut Bank Austria wurden allein von 2013 bis 2019 durchschnittlich 61.000 neue Wohnungen pro Jahr errichtet, womit der laufende Neubaubedarf gedeckt worden sein dürfte. Allerdings wurde der Nachfrageüberhang in einzelnen Marktsegmenten, vor allem bei günstigen Mietwohnungen, wahrscheinlich nur in Teilen abgebaut. Die Wirtschaftskrise aus 2020 dürfte in dem Segment die Nachfrage verstärken.
Der österreichische Immobilieninvestmentmarkt verzeichnete laut EHL im 1. und 2. Quartal 2021 eine rege Transaktionstätigkeit und unterstreicht seine Krisenresistenz. Nach dem bereits guten Auftakt mit einem Transaktionsvolumen von ca. 680 Mio. € im 1. Quartal wurde im 2. Quartal ein Transaktionsvolumen von ca. 1 Mrd. € erreicht. Institutionelle Wohnprojekte stehen bei Investoren weiterhin hoch im Kurs. Gemessen am Transaktionsvolumen bildeten Wohnimmobilien mit einem Anteil von 37% das größte Segment im 1. Halbjahr 2021. EHL erwartetet für 2021 ein Investitionsvolumen von rund 4,0 Mrd. € auf dem österreichsichen Immobilieninvestmentmarkt und damit einen spürbaren Anstieg gegenüber 2020.