Österreich
Das Infektionsgeschehen und die notwendigen Eindämmungsmaßnahmen bestimmen auch die Konjunkturentwicklung in Österreich, das sich bis mindestens Anfang Februar bereits im dritten harten Lockdown befindet. Während im Frühjahr letzten Jahres der erste Lockdown auch in Österreich zu einem historischen Einbruch des BIP vom 11,6 % im 2. Quartal geführt hat, fiel die Erholung nach Berechnungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) im 3. Quartal mit einem BIP-Wachstum von 12,0 % kräftig aus. Laut der Österreichischen Nationalbank (OeNB) dürften die neuerlichen Beschränkungen zu einem deutlich geringeren Einbruch der Wirtschaftsleistung führen als im Frühjahr, wofür geringere Störungen der globalen Wertschöpfungsketten, keine Produktionsschließungen, Lerneffekte sowie größere Zuversicht angesichts der gestarteten Impfkampagne sprechen. Für das Gesamtjahr 2020 rechnet das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) mit einem Rückgang des BIP um 7,3 %.
Durch den jüngsten Lockdown trat eine klare Zweiteilung der Konjunktur in Österreich zutage. Die Produktionssparten der Industrie zeigten sich vorerst relativ resistent und entwickelten sich überwiegend positiv, was auch von der aus Asien ausgehenden Erholung des globalen Handels getragen wurde. Auch das Baugewerbe erwies sich als stabil. Der Dienstleistungssektor war dagegen von einem starken Einbruch gezeichnet. Neben den behördlichen Maßnahmen ist dies auch der gestiegenen Verunsicherung der Konsumenten zuzuschreiben. Die OeNB erwartete für 2020 einen Einbruch der privaten Konsumausgaben um 8,8 %. Mit der schrittweisen Normalisierung des Wirtschaftslebens dürfte die private Konsumnachfrage 2021 um 3,9 % zulegen. Der öffentliche Verbrauch verzeichnete im Jahr 2020 eine leichte Zunahme von 0,7 % und dürfte im laufenden Jahr um 1,2 % steigen. Die hohe Unsicherheit über die weitere Wirtschaftsentwicklung, die geringe Kapazitätsauslastung sowie die verschlechterte Eigenkapitalausstattung belasteten auch die Investitionstätigkeit. Das Institut für Höhere Studien (IHS) geht von einem Rückgang der Anlageinvestitionen um 4,9 % im Jahr 2020 aus. Der Charakter der Corona-bedingten Rezession und der wirtschaftspolitischen Gegenmaßnahmen bringt es mit sich, dass bei den normalerweise äußerst konjunkturreagiblen Investitionen der Einbruch geringer ausfällt als beim BIP. Im Einklang mit der erwarteten internationalen Konjunkturerholung dürften die Anlageinvestitionen im Jahr 2021 um 4,1 % expandieren. Der starke Wirtschaftseinbruch bei den Haupthandelspartnern drückte auf die heimischen Exportmärkte. Die Warenexporte schrumpften im Jahr 2020 um 7,8 %. Die Eindämmungsmaßnahmen belasteten insbesondere den Tourismus, sodass für die Reiseverkehrsexporte ein Einbruch um 42,5 % erwartet wurde. Die Gesamtexporte sind somit um 11,2 % gesunken. Mit der Konjunkturerholung und den zu erwartenden Lockerungen geht das IHS für 2021 von einer um 5,7 % zunehmenden Exporttätigkeit aus.
Die Arbeitslosenquote ist laut dem WIFO im Jahr 2020 trotz breiter Inanspruchnahme der von Kurzarbeit um 2,5 Prozentpunkte auf 9,9 %gestiegen, was vor allem durch die verschlechterten Beschäftigungschancen im Dienstleistungssektor getrieben war. Im Laufe des Jahres sollte die Beschäftigungsnachfrage anziehen und die Arbeitslosenzahl wieder sinken. Für den Jahresdurchschnitt 2021 wird eine Arbeitslosenquote von 9,3 % erwartet. Die Inflationsrate betrug laut IHS 1,4 % im Jahr 2020. Ausgehend von 2,0 % zu Beginn des Jahres 2020 hat sich der Preisauftrieb zwar verlangsamt, blieb aber vor dem Hintergrund des Wirtschaftseinbruchs relativ hoch. Während der niedrige Rohölpreis den Preisauftrieb dämpfte, trieben insbesondere Mieten und Nahrungsmittelpreise die Inflation. Für 2021 rechnet das IHS mit einer leichten Beschleunigung des Preisauftriebs bei einer Inflationsrate von 1,6 %. Damit wird der Inflationsdruck trotz der Erholung vorerst überschaubar bleiben, wenn auch deutlich höher als im Euroraum insgesamt.
Durch den starken Wirtschaftseinbruch und das aufgrund der umfangreichen fiskalischen Stützungsmaßnahmen aufgebaute Staatsdefizit stieg die Schuldenquote nach Angaben der OeNB von 70,5 % auf 83,3 % des BIP im Jahr 2020 stark an. Für das laufende Jahr rechnet die Bank noch mit einem weiteren Anstieg auf 86,4 %.
Mit dem Start der Impfkampagne ab Jahresbeginn und der damit verbundenen Aussicht auf eine schrittweise Normalisierung des Wirtschaftslebens sollte nach Ansicht der Bank Austria eine dauerhafte Konjunkturwende einsetzen. Sie geht von einem Rebound im Frühjahr 2021 aus, der in der zweiten Jahreshälfte in eine anhaltend kräftige Erholung übergeht und ein BIP-Wachstum von 3,1 % im Jahr 2021 erreicht. Das WIFO rechnet sogar mit einem Wirtschaftswachstum von 4,5 %, für den Fall eines vierten Lockdowns im Frühjahr reduziert es jedoch die Prognose auf 2,5 %.
Die Prognoserisiken sind weiterhin hoch. Das gewichtigste Risiko bleibt die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Corona-Pandemie. Auch wenn sich mit der beginnenden Impfung die Aussichten verbessern, könnten Engpässe bei der Produktion und Distribution der Impfstoffe, aber auch eine geringere Wirksamkeit als erwartet bzw. eine schwache Impfbereitschaft das schrittweise Hochfahren des Gesellschafts- und Wirtschaftslebens verzögern. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass bei Einstellung der Unterstützungsmaßnahmen eine verzögerte Konkurswelle einsetzt, was Zweifel über die Stabilität des Finanzsektors aufkommen lassen könnte. Allerdings gibt es auch Potenziale für einen merklich kräftigeren Konjunkturaufschwung: Neben einer schnellen Durchimpfung der Bevölkerung hat sich der Welthandel deutlich günstiger entwickelt als erwartet. Angetrieben durch die Entwicklung in China könnte die Weltwirtschaft wieder deutlich schneller expandieren. Davon würde auch die österreichische Wirtschaft profitieren. Aufgrund der relativ großen Bedeutung von Tourismus und Freizeitwirtschaft in Österreich könnte ein rascherer Erfolg bei der Bekämpfung der Pandemie das Wachstumstempo bereits im Jahr 2021 merklich erhöhen.
In Österreich gibt es laut Helaba keinen Absturz am Wohnungsmarkt durch Corona. Die Pandemie ist zwar auch hier spürbar, eine Preiskorrektur zeichnet sich aber derzeit nicht ab. Nach Einschätzung der Experten des Immobiliendienstleisters RE/MAX Austria sind die Rahmenbedingungen am Immobilienmarkt weiterhin gut. Das Jahr 2020 war geprägt von einem anhaltend historisch niedrigen Zinsniveau, der ungebremst guten Nachfrage von Eigennutzern als auch von Anlegern, fehlenden alternativen Geldanlagemöglichkeiten sowie einem in vielen Regionen knappen Angebot.
Der bereits im Jahresverlauf verzeichnete Trend zu steigenden Immobilienpreisen setzte sich laut OeNB auch im 3. Quartal 2020 fort. So zeigen die Werte des aktuellen Wohnimmobilienpreisindex der OeNB auf Basis neuer und gebrauchter Eigentumswohnungen sowie Einfamilienhäuser in Österreich für das 3. Quartal 2020 ein Plus von 9,5 % gegenüber dem Vorjahr. In Wien stiegen die Preise gegenüber dem Vorjahr um 9,4 %. Im übrigen Bundesgebiet (Österreich ohne Wien) lag die Preisentwicklung im gleichen Zeitraum bei 9,7 %. Preistreibend wirkten vor allem die Einfamilienhäuser. Der OeNB-Fundamentalpreisindikator für Wohnimmobilien zeigt im 3. Quartal 2020 gegenüber dem Vorjahresquartal für Wien und in Österreich insgesamt einen weiteren Anstieg, was auf eine zunehmende Überhitzung des Wohnimmobilienmarktes hindeutet. Die Wohnungsmieten stiegen laut VPI von Statistik Austria in Österreich 2020 um 4,1 %. Befürchtungen hinsichtlich eines Nachfrageeinbruchs bei leerstehenden und neuen Mietwohnungen sind nach Angaben von CBRE bisher nicht eingetroffen. Die Nachfrage ist in einigen Bereichen sogar weiter gestiegen. Auch Annahmen hinsichtlich ausbleibender Mietfortzahlungen wegen eines Einbruchs am Arbeitsmarkt und sich daraus ergebender finanzieller Komplikationen bei Mietern hatten sich nicht manifestiert. Österreichweit erwarten die RE/MAX-Experten für 2021 ein grundsätzlich positives Immobilienjahr, allerdings mit einigen Veränderungen gegenüber den Vorjahren. Das Angebot und die Nachfrage nach Immobilien nimmt weiter zu. Im Ergebnis dürften die Kaufpreise für Wohnimmobilien insgesamt steigen, allerdings nur etwa halb so stark wie zuvor. Eigentumswohnungen in zentralen Lagen bleiben auch 2021 begehrt, aber die Nachfrage nach Eigentumswohnungen am Stadtrand entwickelt sich noch besser. Die Preise könnten hier 2021 um 1,9 % bzw. 1,2 % zulegen. Eigentumswohnungen in Landgemeinden stehen 2021 im Zeichen von Stabilität, hier wird ein geringfügiges Preiswachstum von 0,2 % erwartet. Die Nachfrage nach Mietwohnungen wird in zentralen Lagen, am Stadtrand und in Landgemeinden 2021 voraussichtlich schwächer steigen als das Angebot. Das hat Einfluss auf die Mieten. Die Neuvermietungen im Bereich der frei zu vereinbarenden Mietzinse könnten etwas niedriger ausfallen, als die Abschlüsse der Jahre zuvor. Für Wien rechnet der Immobiliendienstleister EHL 2021 mit Mietsteigerungen maximal im Bereich der Inflationsrate und Steigerungen der Wohnungskaufpreise von 4 bis 5 %. Bei steigender Nachfrage und sich verringerndem Angebot dürften die Preise für Stadt- und Zinshäuser in Österreich laut Re/MAX im Jahr 2021 weiter steigen. Der Wohnungsmarkt dürfte laut Helaba voraussichtlich in Bewegung bleiben. Z. B. planen laut einer repräsentativen Umfrage ein Viertel der Befragten, in den nächsten zwei Jahren einen Umzug. Hauptgründe sind der Wunsch nach einem Garten oder Balkon sowie zusätzlich benötigter Raum als Arbeitszimmer.
Die Bevölkerungszahl Österreichs hat in der Vergangenheit stark zugenommen und wird voraussichtlich auch in Zukunft weiter wachsen. Laut der aktuellen Bevölkerungsprognose von Statistik Austria steigt die Bevölkerung Österreichs von 8,88 Mio. (2019) bis 2030 um voraussichtlich 3,9 % auf 9,23 Mio. Nach Angaben der Bank Austria trägt der Wohnungsbau in Österreich seit einigen Jahren dem stark gestiegenen Bedarf an Wohnraum Rechnung. Von 2013 bis 2019 wurden in Österreich durchschnittlich 61.000 neue Wohnungen pro Jahr errichtet. Damit dürfte der laufende Neubaubedarf gedeckt worden sein. Allerdings wurde der Nachfrageüberhang in einzelnen Marktsegmenten, vor allem bei günstigen Mietwohnungen, wahrscheinlich nur in Teilen abgebaut. Die Wirtschaftskrise 2020 dürfte in dem Segment die Nachfrage verstärken. Voraussichtlich ist der Wohnungsneubau 2020, wenn überhaupt, nur moderat geschrumpft. Das sich bereits seit zwei Jahren abzeichnende Auslaufen des Wohnbauzyklus wurde laut OeNB durch die Corona-Pandemie verstärkt. Rückläufige Baugenehmigungen deuten laut Helaba darauf hin, dass sich in nächster Zeit zumindest im Neubau das Angebot weniger ausweiten dürfte als bisher. Seit Einbruch der touristischen Reiseaktivität wegen der Reise- und Ausgangsbeschränkungen hat sich laut ImmoScout24 das Angebot kleiner Mietwohnungen spürbar vergrößert. Üblicherweise kurzfristig zu touristischen Zwecken vermietete Wohnungen flossen in den klassischen Wohnungsmarkt zurück. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass diese Wohnungen bei Erholung der Tourismusaktivität dem klassischen Wohnungsmarkt langfristig erhalten bleiben.
Laut EHL stellte der österreichische Immobilieninvestmentmarkt auch im Jahr 2020 seine Attraktivität und Krisenresistenz unter Beweis. So wurden Immobilien im Wert von rund 3,5 Mrd. € gehandelt. Verglichen mit den Boom-Jahren 2017 bis 2019 bedeutet das zwar einen Rückgang, im langjährigen Vergleich kann dennoch eine positive Bilanz gezogen werden. Die Rückgänge gegenüber den Rekordwerten der Vorjahre sind zu wesentlichen Teilen auch Verzögerungen in der Abwicklung von Transaktionen, z. B. wegen Lockdowns etc. Auf die Nutzungsart Wohnen entfielen 39 % des Transaktionsvolumens. Die Experten von Catella erwarten, durch die Corona-Krise bedingt, weiterhin eine hohe Nachfrage nach (Wohn-)Immobilieninvestments aufgrund niedriger Zinsen bei gleichzeitig hohem Investitionsdruck und Mangel an alternativen Kapitalanlagen. Da Wohnen neben Logistik als Krisenprofiteur gilt, sei davon auszugehen, dass vermehrt Kapital aus anderen Immobilienklassen, aber auch aus anderen Branchen seitens Multi-Asset-Investoren in Richtung Wohnimmobilien umgeschichtet wird.